Widerruf und Kündigung Vertrag Photovoltaikpaket
Rechtsanwalt Horst-Oliver Buschmann
PV-Anlagenpakete werden aktiv beworben. Anbieter von PV-Anlage betreiben teilweise aktives Marketing direkt vor Ort. Dabei werden werden Privatpersonen von den Anbietern der PV-Anlagen telefonisch oder persönlich kontaktiert, um ihr Produkt vorzustellen und zu verkaufen. Dabei kann es vorkommen, dass Interessenten vorschnell einen Vertrag abschließen, den sie – bei späterer Betrachtung – eigentlich gar nicht wollen. Dies kann auch dadurch begünstigt werden, dass die Prüfung der Wirtschaftlichkeitsberechnung ergibt, dass der dort angenommene Strompreise zu hoch ist (beispielsweise Netzbezugspreise von 49 statt 29 cents) oder dass von einem viel zu hohen Eigenverbrauch des selbst erzeugten Stromes ausgegangen wurde. Für den Kunden stellt sich dann die Frage, ob er den Vertrag nachträglich widerrufen oder kündigen kann. Mehr dazu in diesem Beitrag.
1. Wann ist ein W i d e r r u f des Vertrages über das Photovoltaikpaket möglich?
2. Kann der Unternehmer nach Widerruf noch Zahlungen verlangen?
3. Kann der Besteller nach Widerruf einen bereits gezahlten Abschlag zurückverlangen?
4. Ist eine K ü n d i g u n g des Vertrages über das Photovoltaikpaket möglich?
5. Kann der Unternehmer nach Kündigung Zahlungen aus dem Vertrag verlangen?
6. Kann der Besteller nach Kündigung einen bereits gezahlten Abschlag zurückverlangen?
1. Wann ist ein W i d e r r u f des Vertrages über das Photovoltaikpaket möglich?
Der Widerruf des Vertrages über das Photovoltaikpaket (Kauf und Installation der PV-Anlage) ist möglich, wenn der Verbraucher den Vertrag außerhalb der Geschäftsräume (§§ 312b, 312g Abs. 1 BGB) oder durch Fernkommunikationsmittel (§ 312c BGB) mit einem Unternehmer geschlossen hat.
Ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag ist ein Vertrag, der bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen wird, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist.
Hierbei ist es unerheblich, ob der PV-Anlagenvertrag rechtlich als Kaufvertrag mit Montageverpflichtung oder als Werkvertrag zu bewerten ist. Die Gerichte räumen einem Verbraucher in beiden Fällen ein gesetzliches Widerrufsrecht ein (vgl. LG Neuruppin, Urteil vom 19.12.2023 – Az.: 1 O 119/23 – Kaufvertrag mit Montageverpflichtung PV-Anlage; BGH, Urteil vom 30.8.2018 – VII ZR 243/17- Werkvertrag Senkrechtlift).
Die Widerrufsruf beträgt bei einem Werkvertrag 14 Tage ab Vertragsschluss und beginnt erst zu laufen, wenn der Verbraucher über sein Widerrufsrecht informiert worden ist. Unterlässt der Unternehmer diese Belehrung, kann der Verbraucher den Vertrag innerhalb eines Jahres und 14 Tage widerrufen., sofern der Kunde über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist (§§ 355 Abs. 2, 356 Abs. 3 BGB).
Anders ist es bei einem Kaufvertrag mit Montageverpflichtung. Hier beginnt die Widerrufsfrist nicht mit Vertragsschluss, sondern gemäß § 356 Abs. 2 Nr. 1a BGB mit Erhalt der Ware (vgl. Landgericht Neuruppin, Urteil vom 19.12.2023 – Az.: 1 O 119/23.
Da der kostenmäßige Schwerpunkt bei Standard- PV-Anlagenanlagen regelmäßig in der Lieferung der PV-Anlage und nicht in der Montage der Anlage liegt, nehmen die Gerichte in diesen Fällen weit überwiegend einen Kaufvertrag mit Montageverpflichtung an).
2. Kann der Unternehmer nach Widerruf noch Zahlungen verlangen?
Nein. Mit dem erfolgten Widerruf durch den Verbraucher wird der Vertrag rückabgewickelt.
Sofern der Verbraucher bereits Leistungen empfangen hat, muss er sie nach dem erklärten Widerruf des Vertrages unverzüglich, spätestens aber nach 14 Tagen zurückgewähren. Maßgeblich für den Fristbeginn ist gemäß § 355 Abs. 3 BGB nicht der Zugang des Widerrufs beim Unternehmer, sondern die Abgabe der Widerrufserklärung durch den Verbraucher.
Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers gebracht worden sind, ist der Unternehmer gemäß § 357 Abs. 7 BGB verpflichtet, die Waren auf eigene Kosten abzuholen, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie nicht per Post zurückgesandt werden können.
3. Kann der Besteller nach Widerruf einen bereits gezahlten Abschlag zurückverlangen?
Ja, hier gelten die Ausführungen wie unter Ziffer 2. Hat der Verbraucher den Vertrag fristgerecht widerrufen, muss der Unternehmer dem Kunden erbrachte Zahlungen gemäß §§ 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB unverzüglich, spätestens aber nach 14 Tagen zurückzahlen.
4. Ist eine K ü n d i g u n g des Vertrages über das Photovoltaikpaket möglich?
Hier ist zu unterscheiden, ob der PV-Anlagenvertrag rechtlich als Kaufvertrag mit Montageverpflichtung oder als Werkvertrag bewertet.
Kaufvertrag mit Montageverpflichtung
Das Kaufrecht sieht keine Kündigungsmöglichkeit des Käufers vor. Der Käufer hat lediglich die Möglichkeit vom Kaufvertrag zurückzutreten. Damit der Käufer den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären kann, muss sich der Installationsbetrieb entweder mit der Installation der Anlage in Verzug befinden oder es unterlassen, eine Mängelbeseitigung innerhalb einer angemessenen Frist durchzuführen.
Werkvertrag
Das Werkvertragsrecht räumt dem Besteller in § 648 BGB die Möglichkeit ein, den Vertrag bis zur Vollendung des Werkes jederzeit den Vertrag kündigen.
Da es sich bei den PV-Anlagen im Privatbereich zumeist um Standardanlagen handelt, welche aus serienmäßig hergestellten Teilen nebst Zubehör zusammengesetzt werden und sich ohne größeren Aufwand wieder demontieren und wiederverwenden lassen, stufen die Gerichte diese Verträge weit überwiegend als Kaufverträge mit Montageverpflichtung ein (s.o.), bei denen (da Kaufrecht) keine Kündigungsmöglichkeit besteht. Sollte in Ihrem Fall aber tatsächlich doch ein Werkvertrag vorliegen, ist eine Kündigung möglich. Ob tatsächlich ein Werkvertrag vorliegt, sollte anwaltlich gründlich geprüft werden.
5. Kann der Unternehmer nach Kündigung Zahlungen aus dem Vertrag verlangen?
Kündigt der Besteller den Vertrag vor Vollendung des Werkes, so ist der Unternehmer berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt (§ 648 BGB).
Für die noch nicht erbrachten Leistungen kann der Unternehmer ebenfalls eine Vergütung verlangen. Nach § 648 Satz 3 BGB wird gesetzlich vermutet, dass dem Auftragnehmer eine Vergütung in Höhe von 5 % zusteht.
Behauptet der Besteller, dass der Vergütungsersatzanspruch geringer sei als die vermuteten 5 %, so hat er den vollen Beweis für die Höhe der ersparten Aufwendungen zu erbringen.
Für den Besteller birgt die freie Kündigung das Kostenrisiko, da er konkret und substantiiert zu den ersparten Aufwendungen des Werkunternehmers und zu dessen anderweitigem Verdienst vortragen muss, wenn er einen Anspruch des Werkunternehmers in Höhe der gesetzlichen Vermutung (5 %) abwehren will. Das Risiko ist aber auf die 5 % beschränkt.
Da der Auftraggeber grundsätzlich keinen Einblick in die Betriebsabläufe des Auftragnehmers hat, muss der Auftragnehmer allerdings die interne Kalkulation darlegen.
Es ist auch möglich, in allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eine Vergütungspauschalierung zu vereinbaren. Nach Auffassung des BGH ist ein Pauschalbetrag von bis zu 15 Prozent des Teilbetrags aus dem Gesamtpreis, der auf den Teil der Leistungen entfällt, die der Unternehmer bis zu einer freien Kündigung noch nicht ausgeführt hat, noch angemessen (BGH, Urteil vom 05.05.2011 – Az.: VII ZR 181/10). Der BGH begründet dies damit, dass es sich bei der 5%-Regelung des § 648 Satz 3 BGB ausdrücklich nur eine gesetzliche Vermutung handelt und ist daher nicht verbindlich ist. Das OLG Düsseldorf sah in seinem Urteil vom 13.06.2017 – Az.: I-21 U 106/16- einen Pauschalbetrag von 10 % als angemessen an, sofern die Abrechnung der Teilleistungen nach dem Verhältnis zu den Gesamtleistungen erfolgt.
6. Kann der Besteller nach Kündigung einen bereits gezahlten Abschlag zurückverlangen?
Das Gesetz sieht keinen Erstattungsanspruch des Bestellers vor, wenn dieser den Vertrag vor Vollendung des Werkes kündigt. Vielmehr muss er die bereits erbrachten Leistungen vollständig bezahlen. Für die noch nicht erbrachten Leistungen kann der Unternehmer ebenfalls eine Vergütung verlangen. Nach § 648 Satz 3 BGB wird gesetzlich vermutet, dass dem Auftragnehmer eine Vergütung in Höhe von 5 % zusteht.
Kann der Werkunternehmer darlegen, dass die ersparten Aufwendungen geringer sind, kann er auch eine höhere Vergütung beanspruchen.
Beispiel:
Der Besteller hat einen Solarvertrag (hier Werkvertrag) für 50.000,00 € geschlossen. Er hat einen Abschlag von 40 % ( = 20.000,00 €) gezahlt. Die Paneele liegen geliefert vor dem Haus. Als auch nach 3 Monaten trotz mehrfacher Mahnungen die Anlage nicht auf dem Dach installiert wurde, kündigt der Besteller. Der Besteller verlangt die 20.000,00 € zurück und verlangt, dass die gelieferten Paneele wieder abgeholt werden. Zu Recht?
Nach erfolgter Kündigung des Vertrages durch den Besteller hat der Werkunternehmer einen Anspruch auf Zahlung der vollen vereinbarten Vergütung. Er muss sich jedoch die Aufwendungen anrechnen lassen, die er durch die vorzeitige Kündigung erspart hat.
Hierbei ist zu unterscheiden zwischen erbrachten und noch nicht erbrachten Leistungen. Zu den nach vorzeitiger Beendigung eines Werkvertrages zu vergütenden erbrachten Leistungen gehören nur die Arbeiten, die sich zum Zeitpunkt der Kündigung im Bauwerk verkörpern bzw. die schon in das Werk eingeflossen sind (vgl. OLG Köln – Urteil vom 17.03.2021 – Az. 11 U 281/19).
Da der Werkunternehmer bislang außer der Anlieferung der Paneele keine Leistungen erbracht hat, besteht lediglich ein Anspruch auf Vergütung für noch nicht erbrachte Leistungen unter Anrechnung der ersparten Aufwendungen.
Danach ist bei einer Kündigung mindestens 5% der Vergütung zu zahlen, die bei normaler Vertragserfüllung zu entrichten gewesen wäre (§648 Satz 3 BGB).
Da es sich hierbei um eine Entschädigung handelt, fällt keine Umsatzsteuer an (BFH, Urteil vom 26.08.2021, AZ V R 13/19).
Es ergibt sich somit ein Vergütungsanspruch des Werkunternehmers von mindestens 2.100,84 € (netto).
Sowohl der Werkunternehmer als auch der Besteller können aber bei entsprechendem Nachweis weiterhin auch eine höhere oder niedrigere Vergütung geltend machen.
Da der Besteller im Beispielsfall bereits einen Abschlag von 20.000 € geleistet hat, hat er gegen den Unternehmer einen Erstattungsanspruch in Höhe von 17.889,17 €. Dies unter der Voraussetzung, dass der Werkunternehmer keine geringen ersparten Aufwendungen geltend macht.
Wichtig: Liegt ein Werkvertrag vor, wenn im Vertrag „Werkvertrag“ steht?
Nicht unbedingt. In einem Fall lag mir ein Vertrag über die Errichtung einer PV-Anlage vor. Dort war ein pauschaler Vergütungsanspruch nach Werkvertragsrecht vereinbart. Dem äußeren Anschein nach lag also ein Werkvertrag vor. Meine Prüfung hat dagegen ergeben, dass es tatsächlich ein Kaufvertrag war! Fazit: Ob es sich um einen Werkvertrag oder um einen Kaufvertrag mit Montageverpflichtung handelt, entscheidet nicht der Installationsbetrieb, sondern die Auslegung des Vertrages nach Recht und Gesetz. Maßgeblich ist dabei, ob das Hauptaugenmerk auf der Lieferung (Kaufvertrag) oder der Montage (Werkvertrag) liegt. Bei Standard-Aufdach-Anlagen wird man überwiegend von Kaufverträgen ausgehen können, sodass eine Vergütungsklausel für den Käufer mangels Kündigungsrecht hinfällig ist.
Eine anwaltliche Beratung zur rechtlichen Einordnung des PV-Anlagenvertrages (Kaufvertrag oder Werkvertrag) ist daher in aller Regel zu empfehlen. Oftmals ist es für den Kunden günstiger, den Rücktritt vom Vertrag (Kaufvertrag) anstelle einer Kündigung (des Werkvertrages) zu erklären.
Zum Rücktritt vom Kaufvertrag finden Sie hier weitere Informationen.
Ob Widerruf, Kündigung oder Rücktritt in Ihrem Fall sinnvoll ist, bedarf in der Regel einer anwaltlichen Beratung. Wie dargelegt, ist die Rechtslage unübersichtlich. Für eine Beratung bin ich in aller Regel darauf angewiesen, dass Sie mir im Vorfeld den Solarvertrag zur Verfügung stellen. Nachstehend finden Sie die Konditionen für Beratung und Vertretung.
Beratung: ab 82,50 €, Details hier
Vertretung:
Kalkulieren Sie folgende Kosten (Grundpreis)für Mandate dieser Art bei einem angenommenen Streitwert von 25.000,00 € (Preis für die PV-Anlage):
Eigene Anwaltskosten außergerichtlich: 1.375,88 €
Eigene Anwaltskosten nur Gerichtsverfahren: 2.623,95 €
Rechtsschutzversicherung? Wer eine Privatrechtsschutz bzw. ein hat, kann in aller Regel davon ausgehen, dass diese die Kosten für einen Rechtsstreit übernimmt. Gerne setzte ich mich diesbezüglich mit Ihrer Rechtsschutzversicherung in Verbindung.
Bei Interesse rufen Sie mich an (0511 – 220 620 60) oder mailen mir (buschmann@tarneden.de).