Rücktritt von der Prüfung wegen Krankheit (Prüfungsunfähigkeit)
Der Rücktritt von der Prüfung wegen Krankheit bzw. Prüfungsunfähigkeit nimmt eine zentrale Rolle im Bereich des Prüfungsrechtes ein. Dabei sind zumeist folgende Problemkreise betroffen: Zum einen geht es um die Anforderungen an das Attest (Hausarzt oder amtsärztliches Attest). Zum anderen geht es um die Frage, ob der Rücktritt rechtzeitig erklärt worden ist. Letzteres bereitet insbesondere dann Schwierigkeiten, wenn der Rücktritt erst nach der Prüfung erklärt wird. Eine weitere wichtige Rolle spielt die prozessuale Durchsetzung, ggf. mit gerichtlicher Hilfe. Ich bin seit fast 20 Jahren im Bereich des Prüfungsrechtes tätig und habe in etlichen Verfahren Rücktritte von Prüfungen erfolgreich in Rechtsmittelverfahren durchgesetzt. Die wichtigsten Informationen dazu finden Sie hier in meinem Fachbeitrag.
1. Wann ist ein Rücktritt zulässig?
2. Rücktritt wird v o r der Prüfung erklärt
3. Rücktritt wird n a c h der Prüfung erklärt
4. Anforderungen an das Attest zur Prüfungsunfähigkeit
1. Wann ist ein Rücktritt zulässig?
Der Rücktritt ist zulässig, wenn der Prüfling prüfungsunfähig ist. Ist dem Prüfling die Prüfungsunfähigkeit bekannt, so ist er verpflichtet, den Rücktritt schnellstmöglich zu erklären. Zum Beweis der Prüfungsunfähigkeit muss der Prüfling ein ärztliches Attest vorlegen. Klingt einfach, ist im Detail aber häufig sehr schwierig.
2. Rücktritt wird v o r der Prüfung erklärt.
Gemeinhin weiß ein Prüfling vor der Prüfung, ob er krank ist. Wenn ihm dies einige Tage vor der Prüfung bekannt ist, so sollte er zum Arzt gehen, sich die Prüfungsunfähigkeit bescheinigen lassen und diese im Prüfungsamt rechtzeitig vor der Prüfung vorlegen. Streit entsteht hier zumeist nur um die Frage, ob das ärztliche Attest ausreicht, also, ob der Arzt nur “Arbeitsunfähigkeit” oder “Prüfungsunfähigkeit” attestiert hat bzw. ob das Attest von einem Amtsarzt hätte ausgestellt werden müssen: s. dazu im Einzelnen unten Ziff. 4.
3. Rücktritt wird n a c h der Prüfung erkärt.
Hier liegt das Gros der Fälle, die vor Gericht landen. Die Prüfungsämter sind zumeist streng. Auch sind verschiedene Fälle zu unterscheiden. Denn der Rücktritt kann zwar nach der Prüfung erklärt werden, aber entweder vor oder nach Notenbekanntgabe. Zudem kann ein Rücktritt auch während der Prüfung erklärt werden. In jeder Konstellation sind Besonderheiten zu beachten. Im Einzelnen:
3.1. Rücktritt wird erklärt nach der Prüfung, vor Notenbekanntgabe
Wird der Rücktritt nach der Prüfung erkärt, werfen die Prüfungsämter Prüflingen öfter vor, sie hätten auch vor Prüfung schon gewusst, dass sie krank sind und hätten sich dennoch auf die Prüfung eingelassen. Der Rücktritt sei aber vor der Prüfung zu erklären. Deshalb wird die Genehmigung des Rücktrittes verweigert. Die oftmals übertrenge Sichtweise von Universitäten und Prüfungsämtern verkennt hier m.E. zu oft, dass die Symptome einer Erkrankung (Anspannung, Ängste) denen vor einer Prüfung ähneln. Prüflinge sind oft noch sehr junge Menschen, die nicht immer in der Lage sind, die Gefühllage richtig einzuordnen. So ist es ohne weiteres möglich, dass ein junger Mensch seine Gefühlslage als normale Anspannung vor der Prüfung einordnet, er aber erst bei oder nach der Prüfung erkennt, dass es sich schon um eine Erkrankung handelt (psychischer Erkankung, Dekompensation mit Krankheitswert, Fieber im “Anflug”…). In Fällen dieser Art ist es wichtig, möglichst sofort (am besten noch am Tag der Prüfung) einen Arzt aufzusuchen und die Symptome ärztlich dokumentieren zu lassen. Wichtig ist auch, den Rücktritt schnellst möglich (notfalls noch abends am Prüfungstag per e-mail an das Prüfungsamt) zu erklären. Wenn der Arzt dann die Prüfungsunfähigkeit attestiert, sind die Chancen für eine Genehmigung des Rücktrittes oft noch gut.
3.2. Rücktritt wird erklärt nach der Prüfung, nach Notenbekanntgabe
Dies ist der schwierigste Fall. Die Prüfungsämter machen geltend, der Prüfling habe die Note abgewartet und darauf spekuliert, zu bestehen. Der Rücktritt sei nur erklärt, weil der Prüfling durchgefallen sein. Der Prüfling sei aber verpflichtet gewesen, seine Prüfungsunfähigkeit sofort geltend zu machen. Das klingt nur auf den ersten Blick plausibel. Bei näherer Betrachtung ergibt sich auch hier, dass wichtige Argumente für die Interessen des Prüflings streiten. Im Einzelnen:
Mündliche Prüfung
Das Argument, der Prüfling habe die Note abgewartet, geht praktisch in allen mündlichen Prüfungen ins Leere, wenn die Note sofort nach der Prüfung bekannt gegeben wird. Wird dem Prüfling erst nach der Prüfung und Notenbekanntabe bewusst, dass er gar nicht prüfungsfähig war, kann er gar nicht die Notenbekanntgabe abgewartet haben. Es wäre auch abwegig, dem Umstand der sofortigen Notenbekanntgabe bei mündlichen Prüfungen rücktrittsausschließende Wirkung zukommen zulassen. Ich habe solche Fälle bearbeitet und auch in solchen Konstellationen noch den Rücktritt durchgesetzt. Wichtig in diesen Fällen ist aber, dass der Prüfling schnellstmöglich nach der Prüfung den Arzt aufsucht, am besten noch am Prüfungstag und dann auch schnellstmöglich den Rücktritt erklärt.
Schriftliche Prüfung
Schwieriger ist es bei Klausuren. Wird die Note für die Klausur drei Wochen nach dem Klausurtermin bekannt gegeben und der Prüfling erklärt den Rücktritt eine weitere Woche später, ist ein Rücktritt zumeist ausgeschlossen, aber nicht unmöglich: Der Rücktritt bleibt möglich, wenn der Prüfling – durch substantiiertes ärztliches Attest – geltend machen kann, dass er unerkannt prüfungsunfähig war. Dazu muss er genau darlegen, warum er den Rücktritt nicht früher erklären konnte: Dies ist – wir mir aus Fällen meiner beruflichen Praxis bekannt ist – insbesondere bei psychischen Erkrankungen möglich.
3.3. Rücktritt wird während der Prüfung erklärt
In dieser Fallgruppe wird die Prüfungsunfähigkeit erst während der Prüfung offenbar. Beispiel: Der Prüfling macht während der Prüfung geltend, ihm sei schwindelig oder der Prüfling bekommt während der Prüfung Fieber oder muss sich übergeben. Teilweise ist die Prüfungsunfähigkeit offensichtlich (Erbrechen). Dann wird es kaum Schwierigkeiten geben. Ist die Prüfungsunfähigkeit nicht offensichtlich (Prüfling macht geltend, ihm sei schwindelig), liegt die Problemlage häufig im Vorwurf, dass die Prüfungsunfähigkeit nur simuliert wird, etwa weil der Prüfling während er Prüfung erkennt, dass er die Prüfung nicht bestehen kann (so jedenfalls der Vorwurf der Prüfungsämter). Auch in diesem Fall “steht und fällt” die Berechtigung des Rücktrittes mit dem ärztlichen Attest. Es kann auch geboten sein, einen Rettungswagen in die Prüfung zu holen (auch so einen Fall habe ich hier schon bearbeitet), um noch in der Prüfung die Symtome dokumentieren zu lassen.
4. Anforderungen an das ärztliche Attest zur Prüfungsunfähigkeit
Das Attest hat eine überragende Bedeutung für die Bewertung der Erfolgsaussichten eines Rücktrittes. Dabei sind verschiedene Fragestellungen zu unterscheiden. Wer hat das Attest erstellt (Arzt/Amtsarzt)? Wann wurde es erstellt? Was ist attestiert (Arbeitsunfähigkeit oder Prüfungsunfähigkeit)?
Arbeitsunfähigkeit oder Prüfungsunfähigkeit attestiert?
Ein neuralgischer Punkt. Viele Ärzte sind es gewohnt, auf einem “gelben Schein” Arbeitsunfähigkeit zu attestieren. Das reicht im Prüfungsrecht oft nicht aus. Beispiel:
Ein Mensch, der einen gestauchten Fuß hat, ist arbeitsunfähig als Bauarbeiter. An einer Prüfung von 60 Minuten Dauer, in der er sitzen kann, könnte er aber (je nach Fall) teilnehmen.
Dies lenkt den Blick auf das Wesentliche: Das ärztliche Attest muss die Prüfungsunfähigkeit attestieren (ausdrücklich), eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reicht im Rechtsstreit zumeist nicht aus. Möglich ist allerdings, dass nach einer nicht anerkannten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Arzt seine Angaben ergänzt und erklärt, warum auch Prüfungsunfähigkeit vorgelegen hat.
Attest von Hausarzt, Facharzt oder Amtsarzt?
Prüfungsämter folgen fast “blind” amtsärztlichen Einschätzungen. Bei näherer Betrachtung alles andere als überzeugend: Ist der Amtsarzt ein Allgemeinmediziner und erscheint bei ihm ein Prüfung mit einer psychischen Erkrankung, steht die Urteilsfähigkeit des Amtsarztes im Raum.
Legt ein psychisch erkankter Prüfling dagegen ein Attest eines Allgemeinmediziners vor (der kein Amtsarzt ist), so monieren die Prüfungsämter immer, dass ein Allgemeinmedeziner eine psychischen Erkrankung nicht beurteilen könne.
Die Problemlage für den Prüfling liegt zumeist darin, ganz kurzfristig einen Termin bei einem Facharzt (Psychiater) oder Amtsarzt zu bekommen. Vor diesem Hintergrund dürfen Attest von Hausärzten nicht einfach zurück gewiesen werden. Die lange Wartezeit auf einen Termin beim Facharzt darf im Prüfungsrechtstreit nicht zum Nachteil des Prüfling werden! Dies ist ein immer wieder kehrender Streitpunkt in Rechtsstreitigkeiten um die Genehmigung eines Rücktrittes von der Prüfung.
Attest vor oder nach der Prüfung ausgestellt?
Bei Attesten, die nach der Prüfung ausgestellt sind, ist der immer wiederkehrende Einwand der Prüfungsämter, der Arzt könne heute nicht beurteilen, ob der Prüfling gestern prüfungsunfähig war. Diese Einschätzung überzeugt nicht. Denn wer heute Fieber hat, kann – je nach Fall – auch den Tag davor schon prüfungsunfähig gewesen sein. Diese Einschätzung ist Sache der Ärzte (nicht der Prüfungsämter). Lassen Sie sich von solchen Erwägungen von Prüfungsämtern nicht irritieren. Nur die Betrachtung der Erkrankung und die genaue ärztliche Einschätzung sollten Basis für die Einschätzung sein, ob der Rücktritt mit Aussicht auf Erfolg hat oder nicht.
Das Prüfungsamt folgt der ärztlichen Einschätzung nicht
Eine besonders schillernde Problemlage ergibt sich dann, wenn ein ärztliches Attest vorliegt, in dem detailliert die Prüfungsunfähigkeit am Prüfungstag ärztlich attestiert wird. In meiner Praxis hatte ich Fälle, in denen der Sachbearbeiter im Prüfungsamt (ein Verwaltungsjurist oder Verwaltungsfachangestellte) den Rücktritt nicht genehmigt hat, Begründung: Er glaube dem ärztlichen Attest nicht. Diese Frage ist gerichtlich geklärt. Die Beurteilung der Frage, ob Prüfungsunfähigkeit vorliegt, obliegt dem Arzt, nicht dem Prüfungsamt. Dennoch taucht diese Erwägung immer wieder in den Rechtstreitigkeiten auf. Lassen Sie sich nicht von solchen studentenunfreundlichen Erwägungen irritieren. Wir geben den Stärken Ihres Falles ein starke, kraftvolle Stimme, mit der wir notfalls bei Gericht ihre Interessen durchsetzen.
Widerspruch, einstweilige Anordnung, Klage: Das ist das Handwerkszeug zur Durchsetzung der Genehmigung des Rücktrittes. Welches Rechtsmittel (ggf. welche Kombination) zu wählen ist, lässt sich nur nach genauer Sichtung des Falles beurteilen. Zu unterschiedlich könnten die Konstellationen sein als dass sich das hier sinnvoll pauschaliert darstellen ließe.
Zudem gehen mit mit dem nicht genehmigten Rücktritt – vor allem bei letzten Prüfungsversuchen – weitere Nebenentscheidungen einher wie der Bescheid über das endgültige Nichtbestehen und / oder die Exmatrikulation. Auch gegen diese Entscheidungen müssen unbedingt die richtigen Rechtsmittel eingelegt werden!
Am Anfang steht eine ausführliche Beratung. Wie oben dargestellt, gibt es eine Vielzahl kniffliger Fragestellungen, die zunächst genau besprochen sein sollten, ehe eine Entscheidung für oder gegen ein Rechtsmittel getroffen wird. Vertrauen Sei auf meine Erfahrung aus fast 20 Jahren Berufserfahrung.
Kalkulieren Sie folgende Kosten:
Beratung: ab 75,00 €, auch telefonisch
Vertretung: abhängig von der Bedeutung der Prüfung:
- ab 500 € bei einfacher Modulprüfung (z.B. Klausur)
- ab 730 € bei endgültigem Nichtbestehen
- ab 1.000,00 € bei Abschlussprüfung Staatsexamen Medizin, Lehramt, Rechtswissenschaften oder berufseröffnenden Prüfungen.
Wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung haben, übernimmt diese ggf. die Anwaltskosten.
Bei Interesse setzen Sie sich gern mit mir in Verbindung, telefonisch (0511. 220 620 60) oder per Mail: tarneden@tarneden.de.
© Rechtsanwalt Rolf Tarneden