Rechtsanwalt Rolf Tarneden
Die Corona-Pandemie hat tiefgreifende Auswirkungen auf das Aufenthaltsrecht. Die Beschränkungen der Reisefreiheit machen Einreisen zum Teil unmöglich. Die Migrationsziele sind bei Besuchsvisa eher kurzfristig, beim Familiennachzug dagegen eher langfristig. Wer an Deutschen Botschaften ein laufendes Visumsverfahren betreibt oder wer aktuell einen ablehnenden Bescheid erhält, steht vor der Frage, ob er das begehrte Visum trotz der Corona-Pandemie erhalten kann. Während in Deutschland der Lockdown schon Wochen zurück liegt, gibt es viele Länder, die als Corona-Risikogebiet eingestuft sind (hier die Länderliste des Robert-Koch-Institutes) und aus denen Einreisen in die EU grundsätzlich nicht möglich sind. Dies führt dazu, dass von Land zu Land zu unterscheiden ist, ob die Deutsche Botschaft geöffnet hat und welche Visaanträge sie bearbeitet. Dies ist eine einmalige Situation in meiner fast 20-jährigen Berufstätigkeit. Mit diesem Beitrag möchte ich über die neuesten Entwicklungen informieren.
2. Bedeutung der Corona-Pandemie für die B e s u c h s visaverfahren?
4. Was dauert länger: mein Visumsverfahren oder die Corona-Pandemie?
5. In welchen Fällen sind Einreisen möglich trotz des Einreisestopps in die EU?
6. Lesen Sie hier zu den aktuellen Fällen der Corona-Pandemie in meiner Berufstätigkeit?
1. Bedeutung der Corona-Pandemie für die Visaverfahren für F a m i l i e n n a c h z u g (Ehegatte / Kind)?
Im Familiennachzug werden in aller Regel langfristige Ziele verfolgt, dauerhafte Einreise von Frau, Mann, Kind… Hier ist dann zu unterscheiden, ob der Visumsantrag bei der Deutschen Botschaft schon abgegeben wurde oder nicht.
Visumsantrag wurde schon abgegeben
Wurde der Visumsantrag schon abgegeben, empfehle ich, die Dauer der Conora-Pandemie so gut wie möglich zu nutzen, das Verfahren weiter zu betreiben und auf eine Visumserteilung hinzuwirken. Dies ist in allen Phasen eines Verfahrens möglich, also im Antragsverfahren, bei der Remonstration oder bei der Klage. Da Verfahren dieser Art – insbesondere wenn es zu einer Klage kommt – ohnehin meist länger als ein Jahr dauern, kann es sein, dass die Conona-Pandemie nahezu keinen Einfluss auf das Gesamtverfahren hat.
Visumsantrag wurde noch nicht abgegeben
Vor allem Antragsteller, die schon lange auf einen Termin bei der Deutschen Botschaft warten, um ihren Visumsantrag abzugeben, werden auf aktuell auf eine harte Probe gestellt. Grund: Die Botschaften haben vielfach den Publikumsverkehr eingestellt.
Hier verlagert sich die Rechtsfrage, ob ein Anspruch besteht, dass ein Sondertermin gegeben wird oder dass dem Betroffenen gestattet wird, seinen Antrag ohne persönliche Vorsprache (also per Post, Fax oder e-mail) einzureichen. Dies wird aber nur in Ausnahmefällen möglich sein. Insbesondere kommen Fälle in Betracht, in denen Frauen schwanger sind und ein Kind erwarten, dass die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten wird. Sie haben das Recht, in Deutschland zu entbinden. Dieses Recht wird vereitelt, wenn sie keine Möglichkeit haben, ihren Visumsantrag abzugeben.
Die Corona-Pandemie macht bis auf Weiteres Einreisen unmöglich. Wer also sein Visum erhält, kann – solange der EU-Einreisestopp verhängt ist – von dem Visum keinen Gebrauch machen.
Schließung der Sprachschulen
Als riesiges Problem erweist sich in den betroffenen Gebieten die Schließung der Sprachschulen. Denn in vielen Fällen ist der Nachzug nach Deutschland nur möglich, wenn ein bestimmtes Sprachniveau nachgewiesen wird. In diesen Fällen werden sich die Visaverfahren vermutlich verzögern, bis die Sprachschulen wieder geöffnet haben. Aktuell ist festzustellen, dass z.B. in Deutschland die Sprachschulen wieder öffnen, in anderen Ländern mit einer Öffnung auf Sicht aber nicht zu rechnen ist (z.B. Indien). Hier stellt sich die Frage, ob nicht von dem Erfordernis des Sprachzertifikats abgesehen werden kann und dem Betroffenen nachgelassen werden kann, das Sprachniveau in Deutschland zu erwerben (ähnlich wie bei Migranten aus Syrien: von diesen Personen wird auch nicht verlangt, dass Sie in Syrien deutsch lernen).
Wer sich das zutraut, kann/sollte natürlich versuchen, bei Onlineangeboten seine Sprachkenntnisse zu verbessern.
2. Bedeutung der Corona-Pandemie für B e s u c h s visaverfahren?
Bei Besuchsvisaverfahren können etliche Verfahren nicht weitergeführt werden. Denn die EU hat einen weitgehenden Einreisestopp verhängt: Danach sind Einreisen aus Risikogebieten weiterhin von Ausnahmen abgesehen nicht möglich. Hier finden Sie eine Übersicht über die Risikogebiete (Einstufung durch das Robert-Koch-Institut).
Für die Verfahren ist dann zu unterscheiden, ob die Besuche in Kürze oder erst in einigen Wochen / Monaten stattfinden sollen oder verschiebbar sind.
Besuch in Kürze geplant
Aus den oben genannten Gründen, ist das Besuchsvisum unerreichbar oder ein erteiltes Visum, wenn noch keine Einreise erfolgt ist, zunächst nicht einsetzbar. Möglich ist aber, dass das Visum heute erteilt wird für die Zeit “nach Corona” bzw. für die Zeit nach dem Ende der Einreisesperre.
Besuch zwar in Kürze geplant, aber verschiebbar: lesen Sie dazu bitte Ziffer 3
Besuch in einigen Wochen / Monaten geplant
Ist der Besuch ohnehin erst in einigen Monaten geplant, so sollten die Verfahren – soweit möglich – fortgeführt werden. Entweder sollte – soweit die Deutsche Botschaft noch geöffnet ist – der Visumsantrag dort eingereicht werden. Oder im Falle einer Ablehnung sollte Remonstration eingelegt werden oder ggf. Klage eingelegt werden.
3. Kann ich den Wunscheinreisezeitpunkt im laufenden Verfahren verschieben oder muss ich einen neuen Visumsantrag stellen?
Ja, ich empfehle, in laufenden Visaverfahren (insbesondere Besuchsvisaverfahren) den Besuchszeitraum gegenüber der Deutschen Botschaft zu aktualisieren. Damit kann eine Ablehnung wegen Zeitablaufes erreicht werden. Insbesondere kann damit verhindert werden, dass erneut ein Visumsantrag gestellt werden muss. Damit kann (je nach Fall) sehr viel Wartezeit auf einen Termin zur Abgabe des Visumsantrages eingespart werden.
Beispiel: Eltern aus Pakistan haben einen Visumsantrag bei der Deutschen Botschaft im Februar 2020 eingereicht. Sie möchten ihr nach Deutschland ausgewandertes Kind besuchen für 3 Wochen. Wunscheinreisezeit: 10.04.2020. Wegen der Einreisesperre in die EU ist eine Einreise zum 10.04.2020 nicht möglich.
Daher mein Tipp: Finden Sie einen neuen Wunscheinreisezeitraum (z.B. 10.08.) und teilen der Botschaft im laufenden Verfahren mit, dass sie den Zeitraum abändern, aber an dem Besuchswunsch festhalten.
Vorteil: So können Sie vermeiden, dass die Botschaft den Antrag mit der Begründung ablehnt, eine Einreise am 10.08. sei nicht möglich. Weiterer Vorteil: Sie können die Wartezeit bei der Botschaft ersparen, die sie hätten, wenn Sie einen neuen Visumsantrag stellen müssten.
Hintergrund: In etlichen Fällen (typisch: Eltern wollen ihre ausgewanderten Kinder besuchen) kommt es nicht so sehr darauf an, dass der Besuch gerade im April stattfindet, sondern er kann auch später, z.B. im August stattfinden.
4. Was dauert länger: mein Visumsverfahren oder die Corona-Pandemie?
Das weiß niemand, aber die Corona-Pandemie wird in einigen Monaten eingedämmt oder abgeschwächt sein. Für die Entscheidung für oder gegen ein Verfahren (Remonstration / Klage) ist es wichtig zu wissen, wie lange solche Verfahren dauern. Kalkulieren Sie als Richtwert:
Remonstration: 3 Monate
Klage: 12 Monate
Wer also langfristige Einreiseziele verfolgt (insbesondere Nachzug von Ehegatten oder Kindern, der Eltern, eines Elternteiles…) muss eine mehrmonatige Verfahrensdauer einkalkulieren, die auch vor Corona zu kalkulieren war. Insoweit sind langfristige Einreisezwecke durch die Corona-Pandemie weniger betroffen.
5. In welchen Fällen sind Einreisen möglich trotz des Einreisestopps in die EU?
Der Einreisestopp in die EU gilt nicht für alle Einreisen. Er gilt nur für alle “nicht unbedingt notwendigen” Einreisen.
Ausnahmen sind z.B.:
Beispiel: Wenn eine Frau schwanger ist und möchte in Deutschland das Kind zur Welt bringen: Dann liegt m.E. ein zwingender familiärer Grund vor. Wichtig: Es muss ein Recht vorliegen, das Kind in Deutschland zur Welt zu bringen. Das ist immer dann zu bejahen, wenn das Kind die deutsche Staatsbürgerschaft mit der Geburt erlangen wird.
Eine Übersicht über den Einreisestopp EU und die Ausnahmen finden Sie hier auf der Seite des BMI.
Von dem Einreisestopp zu unterscheiden ist die Einreisemöglichkeit. Wer z.B. das Visum von der Deutschen Botschaft in Kiew (Ukraine) erhält, kann – wenn keine Flüge angeboten werden – notfalls mit dem Auto fahren. Dies ist nicht möglich, wenn die Länder über den Landweg nicht zu erreichen sind. Dann muss abgewartet werden, bis eine Einreise per Schiff oder Flugzeug möglich ist.
6. Lesen Sie hier zu den aktuellen Fällen der Corona-Pandemie aus meine Berufstätigkeit
© Rechtsanwalt Rolf Tarneden