VW-Abgasskandal: Rücktritt und Geld zurück wegen Mehrverbrauch?
Im Zuge der Manipulation von Abgaswerten bei Motoren der Volkswagengruppe hat das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) einen Rückruf von 2,4 Millionen VW-Markenfahrzeugen angeordnet.
VW hatte bereits vor der nunmehr angeordneten Rückrufaktion die Nachbesserung der betroffenen Fahrzeuge angekündigt. Unter Umständen kann die Nachbesserung jedoch dazu führen, dass das Fahrzeug mehr Kraftstoff verbraucht als vorher. Die Auto Bild berichtet unter Berufung auf VW-Konzernkreise, dass die Abweichungen beim CO2-Ausstoß mit einem teils dramatischen Mehrverbrauch von bis zu 18 Prozent einhergehen würden. Es stellt sich für die Käufer eines entsprechenden Fahrzeugs deshalb die Frage, ob es möglich ist, wegen der manipulierten Abgaswerte vom Kaufvertrag zurückzutreten oder auf sonstige Weise Schadensersatz gegen den Händler bzw. VW direkt geltend zu machen. Welche Rechte der Käufer eines betroffenen Fahrzeugs hat, erläutert der nachfolgende Artikel.
1. Berechtigt ein Mehrverbrauch zur Fahrzeugrückgabe?
2. Ist es möglich, bereits vor einer Nachbesserung durch VW vom Kaufvertrag zurückzutreten?
3. Welche Rechte habe ich noch als Käufer gegen VW, AUDI, SEAT, SKODA und PORSCHE?
4. Erhält der Käufer den vollständigen Kaufpreis zurück oder gibt es Abzüge für gefahrene Kilometer?
5. Zahlt die Rechtsschutzversicherung? Kontaktaufnahme zum Anwalt
1. Berechtigt ein Mehrverbrauch zur Fahrzeugrückgabe?
Ob ein Mehrverbrauch zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt, hängt maßgeblich davon ab, wie viel höher der Mehrverbrauch ist.
Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hatte in seinem anlässlich der Abgasaffäre erstellten Gutachten „Manipulation von Emissionskontrollsystemen durch Autohersteller – Mögliche zivil- und strafrechtliche Implikationen“ vom 15.10.2015 ausgeführt, dass Käufer eines betroffenen Fahrzeugs vom Kaufvertrag zurücktreten können, wenn der Kraftstoffverbrauch infolge eines Rückrufes und einer anschließenden Umrüstung steigen sollte.
Allerdings genügt nach Ansicht der Juristen des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages nicht jeder Mehrverbrauch.
Weicht der Kraftstoffverbrauch eines Neuwagens im europäischen NEFZ-Messverfahren von den Herstellerangaben ab, ist ein Mehrbrauch von 1,5 – 2 % vom Käufer hinzunehmen. Erst ab einem Mehrverbrauch von 3 % könne ein Sachmangel angenommen werden.
Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein Mehrverbrauch von mindestens 3 % jedoch weniger als 10 % nur zu einer Minderung des Kaufpreises berechtigt. Für einen Rücktritt vom Kaufvertrag bedarf es einem Mehrverbrauch von mindestens 10 %.
Diese Ansicht entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Der BGH hatte in seinem Urteil vom 08.05.2007 – Az.: VIII ZR 19/05) entschieden, dass dem Käufer kein Rücktrittsrecht bei Kraftstoffmehrverbrauch von weniger als 10 % gegenüber den Herstellerangaben zusteht.
2. Ist es möglich, bereits vor einer Nachbesserung durch VW vom Kaufvertrag zurückzutreten?
Diese Frage ist rechtlich noch nicht geklärt.
Grundsätzlich setzt das gesetzliche Rücktrittsrecht voraus, dass dem Verkäufer zunächst eine Frist zur Nachbesserung gesetzt wird. Führt der Verkäufer die Nachbesserung innerhalb der gesetzten Frist nicht aus oder führt die Nachbesserung nicht zum Erfolg oder ist sie aus anderen Gründen (z.B. lange Wartezeiten auf die Nachrüstung) für den Käufer nicht zumutbar, kann ein Rücktrittsrecht bestehen.
Dieses Rücktrittsrecht setzt allerdings voraus, dass die manipulierten Abgaswerte einen erheblichen Mangel darstellen. Hierzu gibt es bislang keine Gerichtsentscheidungen. Erheblich ist ein Mangel nach der aktuellen Rechtsprechung, wenn die Kosten der Nachbesserung mehr als 5 % des Kaufpreises betragen.
Es müsste gutachterlich geklärt werden, ob die voraussichtlichen Nachbesserungskosten diese 5 %-Hürde überschreiten. Ich halte es jedoch für wahrscheinlich, dass in absehbarer Zeit hierzu Gerichtsentscheidungen ergehen werden.
Zumindest dürfte die Verwendung einer Abgas-Manipulationssoftware zumindest als „einfacher“ Sachmangel zu bewerten sein, der Einbau einer solchen Software einen Verstoß gegen das für die Erlangung einer Typgenehmigung und damit mittelbar fußenden Betriebserlaubnis darstellt. Diese Ansicht äußert der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages ebenfalls in seinem oben zitierten Gutachten. In diesem Fall könnte der Käufer den Kaufpreis zumindest mindern.
3. Welche Rechte habe ich noch als Käufer gegen VW, AUDI, SEAT, SKODA und PORSCHE?
Der Rücktritt vom Kaufvertrag bzw. die Minderung des Kaufvertrages ist nur möglich, wenn die Gewährleistungsfristen noch nicht abgelaufen sind.
Die Gewährleistungsfrist bei einem Neuwagen beträgt 2 Jahre ab Übergabe des Fahrzeugs. Die Gewährleistungsfrist für Gebrauchtwagen kann vom Verkäufer auf 1 Jahr beschränkt werden.
Damit keine Gewährleistungsfristen ablaufen, ist es für die Käufer eines von der Manipulation betroffenen Fahrzeugs geboten, sich mit dem Händler in Verbindung zu setzen und vom diesem eine Erklärung bzgl. des Verzichts der Einrede der Verjährung einzuholen, damit die Gewährleistungsansprüche auch nach Ablauf der Gewährleistungsfrist gewahrt werden.
Für Käufer eines Fahrzeugs, bei dem die Gewährleistungsfristen bereits abgelaufen sind, stellt sich die Frage, ob sie trotzdem ihre Ansprüche durchsetzen können.
Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages kommt in seinem oben genannten Gutachten zu dem Ergebnis, dass der Einbau der Abgas-Manipulationseinrichtung durch den Hersteller unter gewissen Vorassetzungen als eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung zu bewerten sei. Hiernach hätte der Käufer eines betroffenen Fahrzeugs einen Schadensersatzanspruch gegen den Hersteller.
Als Schadenpositionen kommen beispielsweise in Betracht:
- die Kosten für die Fehlerbeseitigung
- nachgewiesene Mehrkosten durch einen Kraftstoffmehrverbrauch.
Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Schadensersatzanspruch entstanden ist und der Käufer Kenntnis hiervon erlangt hat.
4. Erhält der Käufer den vollständigen Kaufpreis zurück oder gibt es Abzüge für gefahrene Kilometer?
Der Käufer erhält nicht den ursprünglichen Kaufpreis zurück. Vielmehr muss der Käufer dem Verkäufer ein Nutzungswertersatz zahlen.
Wie hoch dieser Wertersatz ist, muss im Einzelfall ermittelt werden, da die Höhe der Nutzungsvergütung bei einem Neuwagen abhängig ist vom Fahrzeugtyp und der zu erwartenden Gesamtfahrleistung.
Grundsätzlich lässt sich die Nutzungsvergütung nach folgender Formel berechnen.
Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer geteilt durch die erwartete Gesamtlaufleistung.
Nach dieser Formel beträgt die Nutzungsvergütung, die der Käufer an den Verkäufer zu zahlen hat,bei einer zu erwartenden Gesamtfahrleistung von
-
-
- 200.000 km: 0,5 %
- 250.000 km: 0,4 %
- 300.000 km: 0,33 %
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des Kaufpreises je gefahrene 1.000 km.
Als Faustformel kann man sagen: Je höher die zu erwartende Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs ist, desto niedriger ist die vom Käufer zu erstattende Nutzungsvergütung (je gefahrene 1.000 km).
Bei einem Gebrauchtwagen ist die Berechnung ähnlich. Der einzige Unterschied besteht darin, dass bei einem Gebrauchtwagen die zu erwartende Restlaufleistung zu berücksichtigen ist anstelle der zu erwartenden Gesamtfahrleistung.
5. Zahlt die Rechtsschutzversicherung? Kontaktaufnahme zum Anwalt
Bei den meisten Rechtsschutzversicherungen ist Verkehrsrecht versichert. Wenn Sie Verkehrsrecht versichert haben, sind Rechtsstreitigkeiten wegen eines Autokaufes versichert. Gern frage ich für Sie bei Ihrer Rechtsschutz an, ob sie die Kosten übernimmt.
Im Übrigen ist der Verkauf eines schadhaften Autos eine Vertragsverletzung, für die in vielen Fällen der Verkäufer Ihre Anwaltskosten übernehmen muss.
Kostenanschläge erhalten Sie kurzfristig und kostenfrei.
Wenn Sie Interesse haben, setzen Sie sich gern mit mir in Verbindung. Mailen Sie mir buschmann@tarneden.de oder rufen mich an: 0511 220 620 60.