Besuch der Wunschschule bei Angebot eines eigenen Bildungsganges
Eltern habe die freie Wahl der Wunschschule (auch über die Schulbezirksgrenzen hinaus), wenn die Schule einen eigenen Bildungsgang anbietet. Die freie Wahl der Schule besteht daneben auch dann, wenn im Schulbezirk ein Ganztagsangebot nicht zur Verfügung steht (§ 63 Abs. 4 NSchG). Zuletzt kann die Wunschschule auch dann besucht werden, wenn eine Ausnahmegenehmigung zum Besuch der Wunschschule erteilt wurde (§ 63 Abs. 3 NSchG). Zu den Regelungen des § 63 Abs. 3 NSchG und § 63 Abs. 4 NschG lesen Sie bitte in meinem Fachbeitrag dazu. Dieser Beitrag befasst sich näher mit der Frage, in welchen Fällen ein Bildungsgang anerkannt ist und wann damit also die Schulwahlfreiheit über die Grenzen des Schulbezirkes hinaus eröffnet ist.
1. Wahlfreiheit der Schule bei Angebot eines Bildungsganges
2. Welche Bildungsgänge sind anerkannt?
3. Rechtsfolgen bei Vorliegen eines Bildungsganges?
4. Kontaktaufnahme zum Anwalt, Kosten
1. Wahlfreiheit der Schule bei Angebot eines Bildungsganges
Nach der Rechtsprechung des OVG Niedersachsen-Bremen (vgl. Beschluss vom 07.08.2018 – 2 ME 512/18) kommt es für die Frage, ob das Fremdsprachenangebot eines Gymnasiums im Sinne der vorgenannten Begriffsdefinition einen eigenen Bildungsgang darstellt, – ausgehend von den in § 11 NSchG festgelegten Bildungszielen des Gymnasiums, den einschlägigen Schulforrnerlassen, den schulformbezogenen ergänzenden Bestimmungen und den curricularen Vorgaben – entscheidend darauf an, ob die besondere Ausgestaltung im Lehrstoff und/oder in den Lern- und Erziehungsmethoden der betreffenden Schule die Annahme eines eigenständigen Bildungsgangs rechtfertigen (vgl. auch Urteile vom 08.01.2014 – 2 LB 364/12 – und vom 25.03.2014 – 2 LB 147/12).
2. Welche Bildungsgänge sind anerkannt?
2.1.
Altsprachliches Gymasium
Ein Bildungsgang wurde hiernach angenommen hinsichtlich des Besuchs der 5. Klasse eines altsprachlichen Gymnasiums gegenüber dem Besuch der Orientierungsstufe, weil der Weg von da ab “eigenständig” sei, auch wenn er in gleicher Weise „nur” mit dem Abitur ende (vgl. OVG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20.12.1995 – 13 L 7975/94 -).
2.2.
Neusprachliche Ausrichtung mit 3 Fremdsprachen ab Klsse 5 und Spanisch als 4. Fremdsprache
In dem weiteren Urteil vom 20.12.1995 (Az.: 13 L 2013/93) hat das OVG Niedersachsen-Bremen einen eigenen Bildungsgang für eine besondere fachliche Schwerpunktbildung im neusprachlichen Bereich mit obligatorischem Unterricht in drei Fremdsprachen ab der 5. Klasse sowie in Spanisch als vierter Fremdsprache nach dem Erwerb des Latinums in der 10. Klasse angenommen.
2.3.
Gymnasien mit mathematisch-naturwissenschaftlichem Schwerpunkt
In dem Urteil vom 20.12.1995 hat das OVG Niedersachsen-Bremen zudem angemerkt, dass Gymnasien mit mathematisch-naturwissenschaftlichem Schwerpunkt ebenfalls “nach allgemeiner Ansicht” einen eigenständigen Bildungsgang anbieten.
2.4.
Ausrichtung auf das Latinum
In seinem Urteil vom 06.05.2013 (Az.: 2 LB 151/12) hat das OVG Niedersachsen-Bremen erwogen, aber mangels Entscheidungserheblichkeit letztlich offengelassen, dass viel dafür spreche, dass auch die Ausrichtung auf das Latinum einen besonderen Bildungsgang ausmachen kann. Ein entsprechender Abschluss im Sinne der Begriffsbestimmung des Bildungsgangs liege vor, weil die Erlangung des Latinums in dem Zeugnis der allgemeinen Hochschulreife oder dem Abgangszeugnis zu bescheinigen sei (vgl. auch § 16 AVO-GOBAK).
2.5.
Bilingualer Unterricht an Grundschule / Gymnasium
In weiteren Entscheidungen vom 06.08.2014 (Az.: 2 LB 251/14) und vom 08.01.2014 (Az.: 2 LB 364/12) hat das OVG Niedersachsen-Bremen im Einzelfall für das bilinguale Konzept einer Grundschule bzw. eines Gymnasiums, bei dem Schülerinnen und Schüler in einer großen Bandbreite von Fächern bilingual unterrichtet werden und zudem die Möglichkeit besteht, neben dem regulären Schulabschluss einen internationalen Abschluss zu erwerben (International A-level Examinations bzw. International General Certificate of Secondary Education IGCSE), ebenfalls einen eigenen Bildungsgang bejaht, weil das Bildungskonzept der Schule eine besondere fachliche und methodische Schwerpunktbildung im Sinne der Rechtsprechung des OVG Niedersachsen-Bremen abbilde, die in einen entsprechenden Abschluss münde.
2.6.
Sonstige Bildungsangebote
Die o.g. Fällen sind anerkannt. Es gibt aber Fälle, in denen noch nicht entschieden ist, ob ein eigener Bildungsgang vorliegt. Bildungsangebote in Schule sind einem ständigen Wandel unterzogen. Sie sinkt die Nachfrage nach altsprachlichen Gymnasien. Dagegen entstehen neue Angebote bei neusprachlichen Angeboten (zweite Fremdsprache). Von Interesse ist auch, ob das Angebot der MINT-EC Schulen einen eigenen Bildungsgang darstellt. Dafür könnte sprechen, dass das MINT-Zertifikat den SchülerInnen zusammen mit dem Abiturzeugnis ausgehändigt wird.
Achten Sie in Ihrem Fall darauf, ob die Wunschschule ein Bildungsangebot anbietet, das es an der Pflichtschule nicht gibt. Dann ist zu prüfen, ob dieses Bildungsangebot einen eigenen Bildungsgang darstellt. Bejahendenfalls ist der Weg zur Wunschschule eröffnet.
3. Rechtsfolgen bei Vorliegen eines Bildungsganges
Bietet die Wunschschule einen eigenen Bildungsgang an, haben Eltern das Recht die Schule zu wählen, auch wenn sie außerhalb des Schulbezirkes liegt. Voraussetzungen ist, dass der angebotene Bildungsgang auch tatsächlich gewählt wird (Beispiel: das Wahlrecht für ein altsprachliches Gymnasium außerhalb des Schulbezirkes ist nur dann eröffnet, wenn der Schüler auch tatsächlich das Angebot in den alten Sprachen wählt). Zudem ist das Wahlrecht nur eröffnet, wenn die Pflichtschule den Bildungsgang nicht anbietet.
4. Kontaktaufnahme zum Anwalt, Kosten
Bei Interesse nehmen Sie gern Kontakt zu mir auf, telefonisch: 0511. 220 620 60 (am besten werktags zwischen 10:00 – 12:00 Uhr oder 15:00 – 17:00 Uhr) oder per mail (tarneden@tarneden.de). Vertrauen Sie auf bald 20 Jahre Berufserfahrung im Bildungsrecht.
Beratungskosten: ab 75 €.
Vertretung: ab 540,00 €.
Haben Sie eine Rechtsschutzversicherung? Fragen Sie dort nach, ob diese die Anwaltskosten trägt.
© Rechtsanwalt Rolf Tarneden