Klassenkonferenz und nun? Tipps vom Anwalt für Eltern und Schüler
Rechtsanwalt Rolf Tarneden
Einladung zur Klassenkonferenz für Ihr Kind erhalten? Was nun fragen sich Eltern und Schüler. Die erste Reaktion auf Seiten der Eltern ist oftmals eine starke Verteidigungshaltung. Viele Eltern nehmen die Konferenz als „Angriff“ wahr, sehen eine Bedrohung für Ihr Kind und befürchten eine Schulverweis. Nach über 20 Jahren Berufserfahrung eines vorweg: nur in den wenigsten Fällen ist ein Anwalt nötig. Die meisten Fälle sind „halb so schlimm“ und es finden sich Lösungen für die Zukunft. Wie kann ich mich optimal auf die Konferenz vorbereiten? Was erwartet mich dort? Und was kann ich im schlimmsten Fall tun? Dieser Beitrag klärt auf.
1. Kann ich Widerspruch gegen eine Klassenkonferenz einlegen?
2. Wie bereite ich mich auf eine Klassenkonferenz vor?
3. Kann mein Kind in der Klassenkonferenz einen Schulverweis bekommen?
4. Was erwartet mich in der Klassenkonferenz?
5. Sollte ich einen Anwalt mit in die Klassenkonferenz nehmen?
6. Was soll ich tun, wenn mein Kind bis zur Konferenz vom Unterricht ausgeschlossen ist?
7. Soll ich in der Konferenz erwähnen, wenn sich mein Kind entschuldigt hat?
8. Wie gehen Eltern damit um, dass sie keinen Einblick in das Klassenzimmer haben?
9. Kann ich Widerspruch einlegen gegen den Beschluss der Konferenz?
10. Gelten die o.g. Regelungen auch für P r i v a t s c h u l e n?
11. Fazit: Wann sollte ich einen Anwalt konsultieren, wann nicht?
1. Kann ich Widerspruch gegen eine Klassenkonferenz einlegen?
Nein, die Frage wird hier sehr häufig gestellt. Die Anberaumung einer Klassenkonferenz ist nicht anfechtbar. Die Klassenkonferenz anlässlich von Fehlverhalten von Schülern ist letztlich ein Anhörungsverfahren. Die Besonderheit liegt darin, dass eine persönliche Zusammenkunft erfolgt und in der Konferenz die Stellungnahmen abgegeben werden können. In der persönlichen Zusammenkunft sollte die Chance gesehen werden. Denn es gibt die Möglichkeit, dass alle Lehrer, die das Kind unterrichten und die Eltern und das Kind zusammenkommen. Diese Möglichkeit bietet weder der Elternsprechtag noch ein Elternabend.
2. Wie bereite ich mich auf eine Klassenkonferenz vor?
Konstruktiv.
In der Sportpsychologie gibt es den Ansatz, nach einem verlorenen Spiel zuerst die Frage zu stellen, welchen Anteil man selbst daran hat und nicht, wer sonst alles Schuld ist. Dies ist m.E. ein guter Einstieg. Er stellt sicher, mögliche eigene Anteile zu erkennen und Ansätze für die Verbesserung zu erarbeiten. Denn im Schulrecht geht es immer mehr um das morgen (die Zukunft des Kindes) als um das Gestern.
In einem weiteren Schritt ist ebenso kritisch der schulische Anteil zu hinterfragen. Nach vielen Schilderungen von Mandanten tun sich Schulen oftmals schwer, eigenes Fehlverhalten zu erkennen und zu korrigieren. Wer immer Noten vergibt, tut sich oft schwer, eine eigene Bewertung zu ertragen. Ich gebe dazu mal ein Beispiel: Es gibt Schulen, die jedes Jahr die Schüler bitten, die Schule zu bewerten (Evaluation). Es gibt Schulen, in denen es eine Evaluation nicht gibt. Ich finde, wer selbst bewertet, sollte auch die Schülerschaft um eine eigene Bewertung nachfragen. Dies wird das Klima verbessern.
Fazit: Ich empfehle daher zur Vorbereitung auf die Konferenz:
- eigene Verbesserungsmöglichkeiten heraus zu arbeiten
- Verbesserungsmöglichkeiten von der Schule heraus zu arbeiten
- einen Vorschlag für die Zukunft zu erarbeiten
3. Kann mein Kind in der Klassenkonferenz einen Schulverweise bekommen?
Fast nie. Diese Frage wird mir praktisch in jedem Gespräch gestellt. Viele Eltern befürchten den worst-case in der Konferenz. Die Ursachen sind m.E. auch in den Schreiben der Schule begründet, die vor der Konferenz ergehen. Dort wird ein Konferenz anberaumt, ohne den Rahmen einzugrenzen, über den verhandelt wird. Ich denke, die Schulen könnten dazu beitragen, die Sorgen und Ängste von Eltern im Vorfeld von Konferenzen zu begrenzen. Das geht ganz einfach. In dem Schreiben, in dem zur Konferenz geladen wird, wird umrissen, was verhandelt werden soll. Meiner Erfahrung nach ist das nur sehr selten ein Schulverweise. Die meisten Anfragen, die bei mir eingehen, betreffen im Ergebnis Unterrichtsausschlüsse von 1-4 Wochen (sind also weit entfernt von einem Schulverweis). Ein Schulverweis kommt dann ja nicht in Betracht.
4. Was erwartet mich in der Klassenkonferenz?
Sie müssen mit allem rechnen.
Wer gut vorbereitet ist, hat natürlich bessere Chancen, gute Ergebnisse zu erzielen. Schulen sind in der Regel an Verbesserungsvorschlägen interessiert oder sollten dies zumindest sein.
Ich habe Rückmeldungen erhalten über sehr konstruktive Konferenzen, in denen gute Lösungen für die Zukunft gefunden wurden.
Ich habe Rückmeldungen erhalten, dass die Konferenzen als nutzlos wahrgenommen wurden. Vielfach haben mir Eltern berichtet, dass sie den Eindruck haben, dass kein Interesse an ihrem Vorbringen besteht oder dass Eltern das Gefühl hatten, dass das Ergebnis der Konferenz von vornherein feststand. Gerade diese Fälle münden dann gehäuft in gerichtliche Auseinandersetzungen.
5. Sollte ich einen Anwalt mit in die Klassenkonferenz nehmen?
Nur ausnahmsweise. Ich war verschiedentlich bei Konferenzen dabei. Nach mehr als 20 Jahren Berufserfahrung empfehle ich eine Teilnahme eines Anwaltes in der Konferenz nur ausnahmsweise. Das Für und Wider ergibt sich letztlich nur aus dem Einzelfall.
6. Was soll ich tun, wenn mein Kind bis zur Konferenz vom Unterricht ausgeschlossen ist?
In der Regel sollte Widerspruch eingelegt werden gegen den Ausschluss bis zur Konferenz, um beste Chancen zu haben, falls es in der Konferenz einen „Nachschlag“ gibt. Wenn Ihr Kind bis zur Konferenz ausgeschlossen ist, empfehle ich auch, bereits vor der Konferenz einen Anwalt zu konsultieren. Es ergeben sich etliche besondere Fragestellungen, wenn das Kind bis zur Konferenz ausgeschlossen ist.
7. Soll ich in der Konferenz erwähnen, wenn sich mein Kind entschuldigt hat?
Ja, das ist sehr wichtig und wird oftmals übersehen. Wird dem Kind ein Vorwurf gemacht, ist der Vorwurf entweder berechtigt oder unberechtigt. Ist der Vorwurf berechtigt ist, ist im Grunde immer eine Entschuldigung zu empfehlen. Eine Entschuldigung kann in aller Regel vor der Konferenz erfolgen.
Ist eine Entschuldigung erfolgt, spricht dies für eine Aussöhnung. Eine Entschuldigung spricht zudem dafür, dass ein erzieherischer Bedarf für die Konferenz nicht mehr besteht.
8. Wie gehen Eltern damit um, dass sie keinen Einblick in das Klassenzimmer haben?
In etlichen Fällen machen Eltern geltend, dass das, was die Schule behauptet, falsch ist. Die Schulen machen geltend, dass die Eltern gar nicht wissen, wie es gewesen ist, weil die Eltern ja in der Schule nicht dabei waren. Diese Konstellation ist klassisch für Auseinandersetzungen in Schulverhältnissen. Dies Problem lässt sich letztlich nur dadurch lösen, dass versucht wird, Beweise zu finden für den Geschehensablauf, den man selbst geltend macht. Dann wären also insbesondere Zeugen zu benennen, z.B. Schüler, die den Vorfall beobachtet haben.
9. Kann ich Widerspruch einlegen gegen den Beschluss der Konferenz?
Wenn eine Ordnungsmaßnahme (typisch: Unterrichtsausschluss, Verweisung in eine Parallelklasse oder Verweisung von der Schule) verhängt wurde, ja. Diese Fälle sind für mich als Anwalt von Bedeutung.
Wurde nur eine Erziehungsmaßnahme verhängt (typisch: Referat halten, Entschuldigung aussprechen…), ist ein Widerspruch nicht möglich. In diesen Fällen kann ich als Anwalt nur in seltenen Fällen Support anbieten.
10. Gelten die o.g. Regeln auch für Privatschulen?
In der Regel nicht. Wird die Konferenz an öffentlichen Schulen oftmals als überzogen bezeichnet, habe ich von Eltern, die ihre Kinder an Privatschule beschulen lassen, oftmals die Rückmeldung, dass eine Konferenz nicht erfolgt ist, sie sich aber eine gewünscht hätten. An Privatschulen sind Konferenzen möglich, aber nur dann verpflichtend, wenn sich die Privatschule dazu verpflichtet hat. Nach den vielen Jahren meiner Berufstätigkeit ist mein Eindruck, dass Klassenkonferenzen an Privatschulen selten anzutreffen sind.
11. Fazit: Wann sollte ich einen Anwalt konsultieren, wann nicht?
Dann sollte man einen Anwalt konsultieren:
Wenn das Kind bis zur Konferenz ausgeschlossen ist.
Wenn das Kind bereits mehrfach Konferenzen hatte und mehrfach vom Unterricht ausgeschlossen ist.
Wenn es um einen Unterrichtsausschluss von mehr als zwei Wochen geht.
Wenn durch den Unterrichtsausschluss die Versetzung gefährdet sein kann.
Dann ist ein Anwalt meist nicht nötig:
Es geht um die erste Klassenkonferenz.
Das Kind ist nicht vorbelastet und hatte bisher nur wenige Tage Unterrichtsausschluss.
Ein Schulwechsel steht kurz bevor und die Versetzung ist nicht gefährdet.
13. Fazit: Wann sollte ich einen Anwalt konsultieren, wann nicht?
© Rechtsanwalt Rolf Tarneden