Haftet der Autoverkäufer für defekte Steuerkette (Motorschaden)?
Rechtsanwalt Horst-Oliver Buschmann
Viele Benziner- oder Dieselfahrzeuge haben im Motor anstelle eines Zahnriemens eine Steuerkette. Dieses Bauteil verbindet die Kurbelwelle mit der Nockenwelle. Die Steuerkette ist im Wesentlichen wartungsfrei ist und sollte ein Fahrzeugleben lang durchhalten. Es kann jedoch vorkommen, dass sich die Steuerkette längt und deshalb überspringt, was zu einem Motorschaden führen kann.
Die aus technischer Sicht ungewollte Längung der Steuerkette kann einen Mangel darstellen und zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigen. Das hat das OLG Brandenburg am 01.03.2019 (Az.: 4 U 30/18) entschieden.
1. Wann haftet Verkäufer für Motorschaden nach Steuerkettendefekt?
4. Chancen und Risiken bei der rechtlichen Geltendmachung
1. Wann haftet Verkäufer für Motorschaden nach Steuerkettendefekt?
Grundsätzlich haftet ein Verkäufer für Mängel am Fahrzeug, die bereits bei der Übergabe vorhanden waren. Allerdings haftet der Verkäufer nur für übermäßigen/vorzeitigen Verschleiß und nicht für normalen Verschleiß. Es ist eine Frage des Einzelfalls, ob ein Schaden aufgrund von normalem oder aufgrund von vorzeitigem Verschleiß eingetreten ist und im Zweifel von einem Gutachter zu bewerten.
Eine Steuerkette ist eine nahezu wartungsfreie Alternative zum Zahnriemen. Sie ist – anders als ein Zahnriemen – nicht in regelmäßigen Intervallen zu erneuern.
Eine Längung der Steuerkette stellt beispielsweise keinen gewöhnlichen Verschleiß, sondern übermäßigen/vorzeitigen Verschleiß und damit einen Sachmangel dar.
Weigert sich der Verkäufer in diesem Fall den Mangel zu beseitigen, kann der Käufer den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären und das Fahrzeug gegen Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung für gefahrene Kilometer zurückgeben.
2. Wie hat das OLG Brandenburg (Urteil vom 01.03.2019 – Az.: 4 U 30/18) seine Entscheidung begründet?
Aus Sicht des OLG Brandenburg handelt es sich bei der Längung der Steuerkette um einen durchaus bekannten Mangel, der auf einen in dieser Form ungewollten Verschleiß des Bauteils zurückzuführen ist. Eine Längung der Steuerkette bei einer Laufleistung von rund 120.000 km ist als ungewollter Verschleiß anders als der normale alters- und gebrauchsbedingte Verschleiß vom Käufer nicht hinzunehmen und stellt daher einen Sachmangel dar.
Da der Verkäufer den Mangel trotz vorheriger Fristsetzung nicht beseitigt hat, hat das Gericht den Verkäufer zur Rücknahme des Autos und Rückzahlung des Kaufpreises von rund 5.200 EUR verurteilt.
3. Wie lange können Gewährleistungsansprüche bei eínem Motorschaden infolge eines Steuerkettendefekts geltend gemacht werden?
Gewährleistungsansprüche wegen Mängeln am Auto können nicht unbegrenzt geltend gemacht werden.
Gewährleistungsrechte verjähren bei Neuwagen nach 2 Jahren ab Übergabe. Bei Gebrauchtwagen wird die Gewährleistungsdauer vom gewerblichen Verkäufer in der Praxis zulässigerweise regelmäßig auf 1 Jahr verkürzt.
Die Verjährungsfrist beginnt mit der Übergabe des Fahrzeugs an den Käufer, nicht mit Vertragsschluss.
Das bedeutet, dass Gewährleistungsansprüche des Käufers gegen den Verkäufer wegen eines Mangels nur dann bestehen, wenn der Mangel sich erstmalig innerhalb von 2 Jahren bei einem Neuwagen oder innerhalb eines Jahres bei Gebrauchtwagen gezeigt hat.
Ist der Verkäufer gewerblicher Händler und der Käufer eine Privatperson gilt abweichend Folgendes:
Zeigt sich ein Mangel innerhalb der Verjährungsfrist, verlängert sich diese automatisch um vier Monate ab Mangeleintritt.
Beispiel:
Bei einem Gebrauchtwagen reißt die Steuerkette 11 Monate nach der Übergabe. Der Käufer kann seine Gewährleistungsansprüche noch vier weitere Monate geltend machen bevor Verjährung eintritt. Die Verjährung tritt damit nicht bereits nach 1 Jahr, sondern erst nach 1 Jahr und 3 Monaten ein.
4. Chancen und Risiken bei der rechtlichen Geltendmachung
Darin liegen die Chancen:
Schwierigkeiten bereitet regelmäßig die Abgrenzung zwischen normalem, altersbedingtem und vorzeitigem/übermäßigem Verschleiß. Mit der Entscheidung des OLG Brandenburg lässt sich gut argumentieren, dass eine gelängte Steuerkette – abhängig von Fahrzeugalter und Laufleistung – einen Mangel darstellt, für den der Verkäufer haftet.
Darin liegen die Risiken:
Ein Verkäufer haftet nur für übermäßigen bzw. vorzeitigen Verschleiß. Regelmäßig wird nur ein Gutachter die genaue Schadensursache feststellen können. Für den Gutachter fallen Kosten an, die der Käufer zunächst vorstrecken muss.
Gesamtbewertung:
Da ein Verkäufer nur für übermäßigen verschleiß haftet, genügt ein Schadenseintritt bei einem Fahrzeugkauf von einem Händler innerhalb der ersten 12 Monate nach Übergabe für sich allein nicht für die Annahme eines Mangels. Der Käufer muss vielmehr den Nachweis eines vorzeitigen Verschleißes erbringen. Ist unklar, ob der Schaden auf vorzeitigen Verschleiß zurückzuführen ist, geht dies zu Lasten des Käufers. Ihm bleibt dann nur die Möglichkeit nachzuweisen, dass die Steuerkette bei der Übergabe bereits austauschbedürftig gewesen ist.
Beim Kauf von Privat wird regelmäßig die Gewährleistung ausgeschlossen. Der Käufer muss in diesem Fall beweisen, dass der die Steuerkette bereits bei der Übergabe defekt bzw. austauschbedürftig war und der Verkäufer dies gewusst und arglistig verschwiegen hat. Der Nachweis ist zumeist nur sehr schwer zu erbringen.
Weitere Einzelheiten zum richtigen Vorgehen bei Mängeln beim Autokauf von Privat finden Sie in meinem Beitrag Rücktritt vom Autokaufvertrag (Kauf von Privat).
Ist der Nachweis des übermäßigen Verschleißes erbracht und weigert sich der Verkäufer zur Reparatur, hat der Käufer gute Chancen, den Rücktritt vom Kaufvertrag mit Erfolg durchzuführen.
Kontaktaufnahme:
Haben Sie ebenfalls bei Ihrem Fahrzeug einen Schaden durch die Steuerkette erlitten, und weigert sich der Verkäufer, den Schaden zu beseitigen?
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Wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung haben, wird diese in der Regel die Kosten tragen.
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