Gewaltschutzrecht – Überblick über Maßnahmen gegen häusliche Gewalt
Häusliche Gewalt wird zumeist zu Hause angewendet, also dort, wo eigentlich Sicherheit und Geborgenheit gesucht werden. Häusliche Gewalt wird in etwa 80 % der Fällen von Männern ausgeübt. Schätzungen zufolge wird etwa jede dritte bis fünfte Frau Opfer häuslicher Gewalt. Dabei umfasst häusliche Gewalt verbale Beeinträchtigungen wie Bedrohungen, Erniedrigungen und Beleidigungen als auch körperliche Gewalt jeder Art und Intensität (z.B. Schläge, sexuelle Gewalt, Vergewaltigung, Totschlag, Mord). Häusliche Gewalt wird in allen sozialen Schichten unabhängig vom Bildungsgrad oder den Einkommensverhältnissen angewendet. Folgen dieser Gewaltanwendung können Herzrasen, schweißnasse Hände, Panikattacken, Schlaflosigkeit, Selbstmordgedanken o.ä. sein. Diese Folgen können von den Opfern häufig nicht mehr aus dem Alltag ferngehalten werden. Das soziale Umfeld und selbst die Arbeitstätigkeit können gefährdet werden. Die Täter können den Opfern das Leben zum Albtraum machen. Um den Opfern häuslicher Gewalt wieder ein normales Leben zu ermöglichen, ist zum 01.01.2002 das Gewaltschutzgesetz (GewSchG) in Kraft getreten, das den Opfern auf differenzierte Weise die Möglichkeit gibt, gegen ihre Peiniger vorzugehen. Nachstehend soll ein Überblick über die wichtigsten Fragen gegeben werden, die sich für die Geschädigten in Fällen (häuslicher) Gewalt stellen.
1. Welchen Schutz bietet das Gewaltschutzgesetz?
2. Wie (schnell) bekomme ich den Schutz des Gewaltschutzgesetzes?
3. Wie lange werde ich durch Beschlüsse nach dem Gewaltschutzgesetz geschützt?
4. Was passiert, wenn der Täter gegen Beschlüsse nach dem Gewaltschutzgesetz verstößt?
5. Ist es eine Straftat, wenn der Täter gegen Beschlüsse nach dem Gewaltschutzgesetz verstößt?
6. Kann Täter ins Gefängnis kommen?
7. Welche Rechte habe ich einem Strafverfahren gegen den Täter?
8. Beauftragung eines Rechtsanwaltes?
1. Welchen Schutz bietet das Gewaltschutzgesetz?
Das Gewaltschutzgesetz schützt insbesondere die Rechte der Opfer häuslicher Gewalt. Es stellt in den Fällen Schutz zur Verfügung, in denen der Täter vorsätzlich
-den Körper
-die Gesundheit oder
-die Freiheit
des Opfers verletzt. Gemeint sind damit damit also die Fälle, in denen der Täter das Opfer schlägt, verprügelt oder einsperrt.
Ferner bietet es Schutz, wenn der Täter
-das Opfer bedroht (z.B. Drohung mit Tötung, Prügel oder Einsperren)
-dem Opfer nachstellt (z.B. das Opfer verfolgt oder ihm auflauert)
-oder das Opfer telefonisch (auch per sms) belästigt.
In diesen Fällen erlässt das Gericht auf Antrag einen Beschluss, in dem gegen den Täter bestimmte Anordnungen getroffen werden. Typischerweise kann – auch nebeneinander – angeordnet werden:
-der Täter muss die gemeinsame Wohnung dem Geschädigten allein überlassen
-der Täter darf die Wohnung des Geschädigten nicht mehr betreten
-der Täter darf sich dem Geschädigten nicht näher als auf 150 Meter annähern
-der Täter darf per Telefon (auch sms) zu dem Geschädigten keine Verbindung aufnehmen
Der Täter muss sich dann sofort an diesen Beschluss halten. In diesem Beschluss wird dem Täter zugleich angedroht, dass er im Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 € zu zahlen hat und für den Fall der Uneinbringlichkeit auch verhaftet werden kann. Sie zu den Folgen eines Verstoßes siehe auch ausführlich unten 4. und 5.
2. Wie (schnell) bekomme ich den Schutz des Gewaltschutzgesetzes?
Es gilt der Grundsatz: Von allein passiert gar nichts. Der Schutz nach dem Gewaltschutzgesetz wird nur dann gewährleistet, wenn das Opfer einen Antrag stellt. Dieser Antrag muss bei dem Amtsgericht gestellt werden. Eine Anzeige bei der Polizei genügt nicht.
Den Geschädigten ist regelmäßig nicht damit gedient, auf Ihren Antrag hin erst monatelang auf eine Gerichtsverhandlung warten zu müssen. Deshalb stellt das Gewaltschutzgesetz die Möglichkeit sofortiger Hilfe zur Verfügung. Die Geschädigten müssen dann eine eidesstattliche Versicherung abgeben, in der sie behaupteten Beeintächtigungen versichern müssen. Liegt eine solche eidesstattliche Versicherung vor, entscheidet das Gericht unverzüglich. Die Entscheidungen werden zum Teil noch am Tage der Antragstellung erlassen.
3. Wie lange werde ich durch Beschlüsse nach dem Gewaltschutzgesetz geschützt?
Regelmäßig zeitlich befristet für (z.B.) ein halbes Jahr. Die zeitliche Befristung hat ihren Grund darin, dass ein Teil der Gewalteinwirkungen anlässlich einer Beziehungskrise erfolgen. Wird die Beziehung dann entweder befriedet oder endgültig getrennt, lassen die Gewalttätigkeiten in vielen Fällen bereits nach wenigen Wochen nach. Eine unbefristete Regelung ist in den meisten Fällen nicht erforderlich.
Sollte sich jedoch zeigen, dass die Gewalttätigkeiten auch nach einem halben Jahr nicht nachlassen, kann entweder der Beschluss verlängert oder ein neuer Beschluss erwirkt werden.
4. Was passiert, wenn der Täter gegen Beschlüsse nach dem Gewaltschutzgesetz verstößt?
Auch hier gilt: Von allein passiert gar nichts. Die Geschädigten als Opfer müssen initiativ werden.
Dabei gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten. Die Zwangsvollstreckung (nachfolgend a) und die Strafanzeige (nachfolgend b)
a) Zwangsvollstreckung gegen den Täter
Zum einen kann gegen den Schädiger die Zwangsvollstreckung betrieben werden. Zu diesem Zweck muss zunächst die Festsetzung eines angemessenen Zwangsgeldes gegen den Täter beantragt werden. Das Gericht setzt dann die Höhe des Zwangsgeldes fest. Die Höhe richtet sich nach den Einkommensverhältnissen des Täters und dem Maß des Verstoßes gegen den Beschluss. Es soll so bemessen werden, dass es den Täter nunmehr endgültig davon abhält, gegen den Beschluss zu verstoßen.
Wird das Zwangsgeld nicht gezahlt, muss ein weiterer Antrag bei dem Gericht gestellt werden. Nunmehr wird der Gerichtsvollzieher beauftragt, das Ordnungsgeld bei dem Täter im Wege der Zwangsvollstreckung einzuziehen.
Für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht eingezogen werden kann, kann der (vermögenslose) Täter ersatzweise in Zwangshaft genommen werden (siehe auch unten 6.).
Dieses recht komplizierte Verfahren nimmt einige Wochen in Anspruch. Es können von der Beantragung eines Beschlusses nach dem Gewaltschutzgesetz bis zur Zwangsvollstreckung schnell 3 oder 4 Monate verstreichen, während der das Opfer weiter den rechtswidrigen Angriffen ausgesetzt ist. Hier liegt wohl auch die größte Schwäche des Gewaltschutzgesetzes.
Für die Geschädigten ist die Beendigung ihrer Belästigung häufig nur durch die sofortige Inhaftierung des Schädigers möglich. Diese Möglichkeiten sollen unter 6. ausführlich dargestellt werden.
b) Strafanzeige gegen den Täter
Zum einen kann Strafanzeige gegen den Täter erstattet werden. Diese ist bei der Polizei zu erstatten (siehe dazu sogleich unter 5.)
5. Ist es eine Straftat, wenn der Täter gegen Beschlüsse nach dem Gewaltschutzgesetz verstößt?
Ja. Das Gewaltschutzgesetz ordnet hat, dass jeder Verstoß gegen Beschlüsse nach dem Gewaltschutzgesetz strafbar ist. Sollten also die Belästigungen entgegen dem Beschluss nicht beendet werden, sollte bei der Polizei Strafanzeige erstattet werden. Wer eine solche Strafanzeige beabsichtigt, sollte gleich bedenken, ob sich die von ihm behaupteten Verstöße in einem Gerichtsverfahren beweisen lassen. Gerade im Bereich von Telefonterror ist die Beweisbarkeit oft schwierig. Die Beschuldigten bestreiten häufig, angerufen zu haben. Sie rufen aus Telefonzellen an oder verwenden Telefone, bei denen die Rufnummer unterdrückt wird. Am Telefon werden die Stimmen verstellt. Gerade bei einer sms ist der Nachweis schwer zu erbringen, dass gerade der Täter sie geschrieben hat. Da die Justiz nur Verstöße verfolgt, die konkret beweisbar sind, sollten die Geschädigten deswegen jeden Verstoß kurz schriftlich fixieren und notieren, wann, wie und wo der Verstoß erfolgt ist. Soweit Zeugen vorhanden sind, sollten deren Namen und Anschriften festgehalten werden. Ein solches Verhalten zahlt sich später für die Opfer in dem Strafverfahren aus.
6. Kann Täter ins Gefängnis kommen?
Theoretisch ja, praktisch nur selten. Die Inhaftierung ist auf zwei Wegen möglich. Entweder weil der Täter Straftaten begeht, wenn er gegen Beschlüsse nach dem Gewaltschutzgesetz verstößt (nachfolgend a) oder weil das Opfer gegen den Geschädigten die Zwangsvollstreckung betreibt (nachfolgend b).
a) Haft wegen Straftat
Wegen der Begehung von Straftaten (permanente Verstöße gegen Beschlüsse nach dem Gewaltschutzgesetz) kann der Beschuldigte in Untersuchungshaft genommen werden. Dies ist aber nur dann möglich, wenn ein Haftgrund vorliegt. Ein Haftgrund kann sich daraus ergeben, dass der Beschuldigte ohne festen Wohnsitz ist (Fluchtgefahr) oder das Opfer permanent bedroht (Verkunkelungsgefahr). Erfahrungsgemäß muss aber darauf hingewiesen werden, dass die Staatsanwaltschaften nur sehr zurückhaltend Haftbefehle in diesen Verfahren beantragen.
Kommt es dann wegen der Verstöße später zu einer Gerichtsverhandlung, kann der Täter auch zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden. Auch dies erfolgt jedoch erfahrungsgemäß nur bei ganz erheblichen Verstößen oder Vorstrafen des Beschuldigten. Bei Erstverstößen durchschnittlicher Art wird regelmäßig auf eine Geldstrafe erkannt.
b) Haft im Wege der Zwangsvollstreckung
Bleibt die Zwangsvollsteckung durch Anordnung von Ordnungsgeldern erfolglos, kann die Verhaftung des Täters im Wege der Zwangsvollstreckung erwirkt werden. Ich habe kürzlich eine Geschädigte vertreten. In dem Verfahren ist es gelungen, den Beschuldigen auf diese Weise zu verhaften.
7. Welche Rechte habe ich einem Strafverfahren gegen den Täter?
Wer gegen den Täter Anzeige erstattet, hat im Strafverfahren besondere Rechte. Zunächst ist der Geschädigte regelmäßig der Hauptzeuge der Anklage und wird deswegen als Zeuge zur Hauptverhandlung geladen. Dort muss der Geschädigte dann unter Umständen gegen den Täter aussagen. Nach dem Gesetz kann der Geschädigte aber auch mit der Nebenklage zugelassen werden. Der Nebenkläger ist mit besonderen Rechte und Befugnisse im Strafprozess ausgestattet, die ihm die Durchsetzung seiner Interessen erheblich erleichtern. Unter anderem hat der Nebenkläger das Recht, in dem gesamten Prozess in der Gerichtsverhandlung anwesend zu sein. Dieses Recht haben Zeugen, die keine Nebenkläger sind, nicht. Sie müssen bis zu ihrer Aussage, auf dem Gerichtsflur warten.
8. Beauftragung eines Rechtsanwaltes?
Das Vorgehen gegen den Schädiger bei häuslicher Gewalt ist – wie sich aus dem Vorstehenden ergibt – recht kompliziert. Die Betroffenen können zudem häufig nur schwer einschätzen, welche Folgen Strafanzeigen oder Anträge nach dem Gewaltschutzgesetz haben. Sollte die häusliche Gewalt gravierende Ausmaße haben (z.B. Vergewaltigung), stellen sich z.B. für das Strafverfahren Fragen von viel weitergehende Reichweite.
Für viele ist deswegen zunächst eine vertrauensvolle Beratung von Bedeutung. Die Vertraulichkeit einer solchen Beratung ist garantiert durch die Schweigepflicht des Rechtsanwaltes.
Im Rahmen einer solchen Beratung kann dann entschieden werden, ob Strafanzeige erstattet wird oder gerichtliche Schritte eingeleitet werden.
Sollten gerichtliche Schritte eingeleitet werden, besteht für die Geschädigten die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu beantragen. Auf den Prozesskostenhilfeantrag, der von dem Anwalt gestellt werden kann, prüft das Gericht die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers. Ergibt die Prüfung, dass der Antragsteller die Prozesskosten nicht tragen kann und der Antrag aussichtsreich ist, wird in diesen Fällen regelmäßig Prozesskostenhilfe bewilligt. Gerade bei kleinen und mittleren Einkommensverhältnissen besteht hier Möglichkeiten, von den Anwaltskosten befreit zu werden.