Familiennachzug (Elternnachzug) im Härtefall, § 36 Abs. 2 AufenthG
Familiennachzug (Elternnachzug) im Härtefall, § 36 Abs. 2 AufenthG
Können die Eltern zu den Kindern nach Deutschland nachziehen und eine Aufenthaltslerlaubnis erhalten? Oder kann nur die Mutter oder nur der Vater kommen? § 36 Abs. 2 AufenthG regelt diese Frage. Jeden Monat erhalte ich deswegen Anfragen. Die meisten Anliegen scheitern an der Sicherung des Lebensunterhaltes: der Elternnachzug ist nur möglich, wenn die Betroffenen bzw. ihre Familie alle Kosten ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen selbst tragen können, also: Wohnung, Essen und Trinken und Krankenversicherung. Ist diese Hürde genommen, muss noch eine Härte vorliegen, zumeist die Pflegebedürfigkeit des nachzugswilligen Elternteils. Denkbar ist aber auch, dass ein gesunder Elternteil zu Kindern nach Deutschland nachziehen möchte, weil diese ihrerseits auf Hilfe angewiesen sind, z.B. weil sie kranke oder behinderte Kinder haben. Fälle dieser Art gehören zu dem Schwierigsten, was das Ausländerrecht bereit hält. Vertrauen Sie auf meine Erfahrung aus bald 20 Jahren Erfahrung im Ausländerrecht und Vertretung gegen über deutschen Botschaften und Konsulaten. Hier die wichtigsten Fragen zu diesem Fragenkreis im Überblick.
1. Wann ist der Elternnachzug nach § 36 Abs. 2 AufenthG möglich?
2. Wann liegt ein Härtefall i.S.v. § 36 Abs. 2 AufenthG vor?
4. Elternnachzug nur, wenn Lebenshaltungskosten und Krankenversicherung bezahlt werden können
5. Wie nehme ich Kontakt zum Anwalt auf? Anwaltskosten?
1. Wann ist der Elternnachzug nach § 36 Abs. 2 AufenthG möglich?
Ein Elternnachzug ist nach deutschem Aufenthaltsrecht nur in Härtefällen möglich. Dies ist ein gravierender Unterschied zum Kinder- oder Ehegattennachzug. Kinder oder Ehegatten dürfen in der Regel nachziehen. Eltern dagegen nur in Härtefällen.
2. Wann liegt ein Härtefall i.S.v. § 36 Abs. 2 AufenthG vor?
Als Härte sind zwei Fallgruppen anerkannt. Vater / Mutter im Ausland sind krank und können sich allein nicht mehr versorgen (sogleich 2.1.). Oder die in Deutschland lebenden Kinder sind auf die Hilfe der Eltern angewiesen (2.2.).
2.1.
Vater / Mutter sind krank und können sich allein nicht mehr versorgen
Am meisten wird in meiner Kanzlei angefragt, ob Vater und/oder Mutter nachziehen können, weil sie sich nicht mehr selbst versorgen können. Genau diese Konstellation stellt eine Härte im Sinne des Gesetzes dar. Die deutschen Botschaften bzw. Konsulate fordern allerdings, dass eine Versorgung im Heimatland nicht möglich ist, beispielsweise durch Ehegatten oder Kinder. Dies stellt eine erhebliche Einschränkung des Elternnachzuges dar. Denn wenn es im Heimatland eine Alternative gibt, wenn jemand sich nicht mehr selbst versorgen kann, soll die Migration nach Deutschland ausgeschlossen sein.
Eine Migration ist nur dann möglich, wenn der betroffene Elternteil nicht mehr zur Selbstversorgung in der Lage ist. Dies wird von den deutschen Auslandsvertretungen über Vetrauensärzte der deutschen Botschaften geprüft. Dabei werden hohe Maßstäbe angelegt. Allgemeine Altersschwäche genügt also nicht. Es muss tatsächlich nachgewiesen werden, dass die Betroffenen sich nicht mehr selbst versorgen können, also z.B. nicht mehr selbst einkaufen können, auf Hilfe beim Anziehen oder der Körperpflege… angewiesen sind.
Lesen Sie hier ein Beispiel, in dem ich den Nachzug der Mutter erfolgreich bei der Deutschen Botschaft in Moskau durchsetzen konnte.
2.2.
Die in Deutschland lebenden Kinder sind auf die Hilfe von Mutter / Vater angewiesen
Eine Härte kann auch dann vorliegen, wenn die Kinder, die schon in Deutschland leben, auf elterliche Hilfe angewiesen sind. Dabei ist vor allem an Fälle zu denken, in denen nach Deutschland ausgewanderte Kinder ihrerseits Kinder haben, die infolge Krankheit oder Behinderung dauerhaft auf viel HIlfe angewiesen sind. Solche Hilfe wird häufig innerhalb der Familie, z.B. von Mutter oder Schwiegermutter erbracht. Für die bereits in Deutschland ansässigen Kinder ist die elterliche Hilfe häufig unersetzlich, wenn die eigenen Kinder so stark krank oder behindert sind, dass Beruf, Familie und Kindererziehung praktisch nicht mehr ohne fremde Hilfe zu schaffen sind. Auch in diesen Fällen muss aber der Lebensunterhalt gesichert sein (s.u. Ziff. 4), was in solchen Fällen häufig ein Problem darstellen kann, da das Geld in Familien mit Kindern meist knapper ist als in kinderlosen Ehen.
3. Ist ein Elternnachzug auch dann möglich, wenn die Eltern (Vater oder Mutter) im Ausland ganz allein sind?
Nach der EG-Richtlinie ja: Danach kann die Aufenthaltserlaubnis im Härtefall erteilt werden, wenn
- die Eltern (Vater oder Mutter oder Vater und Mutter) betroffen sind
- die Eltern in ihrem Herkunftsland keinerlei sonstige familiäre Bindungen mehr haben und
- der Lebensunterhalt der Eltern in Deutschland gesichert ist
Eine Härtegrund liegt danach bereits dann vor, denn diese drei Punkte erfüllt sind.
Nach nationalem Recht (§ 36 Abs. 2 AufenthG) ist die Beurteilung schwieriger. Die EG-Richtlinie ist in § 36 Abs. 2 AufenthG vom Wortlaut her nicht umgesetzt.
Welche Argumente sprechen für die Anwendung EG Richtlinie?
Der Bundestag hat die EG-Richtlinie in § 36 Abs. 2 AufenthG zwar nicht umgesetzt. Dennoch ist die EU-Richtlinie zu beachten im Wege der richtlinienkonkonformen Auslegung des nationalen Rechts. Das Europäische Recht ist ranghöher als das nationale Recht.
Zudem: Nach dem Wortlaut des § 36 Abs. 2 AufenthG darf ein Elternteil nur dann nach Deutschland einreisen, wenn er oder das Kind auf Hilfe angewiesen sind. Warum soll nicht ein Elternteil zu seinem Kind / seinen Kindern nach Deutschland nachziehen, wenn der Elternteil gesund, aber allein ist (Beispiel: die Schwiegermutter ist verwitwet. Ihre einzige Tochter lebt in Deutschland). Da der Nachzug ohnehin nur möglich ist, wenn der Zuziehende alle Kosten selbst trägt, spricht vieles für eine solche Regelung.
Für die Erteilung des Visums in diesen Fällen spricht daher, dass es wenig nachvollziehbar ist, warum – bei im Übrigen gleichen Verhältnissen – die Aufenthaltserlaubnis nur der Kranke, nicht aber der Gesunde bekommen soll, insbesondere, wenn er alle Kosten selbst trägt.
M.E. sollte in diesen Fällen der Familiennachzug europarechtskonform gewährt werden.
Welche Argumente sprechen gegen die Anwendung EG Richtlinie?
Dass der Bundestag die Richtlinie in § 36 Abs. 2 AufenthG nicht umgesetzt hat.
Aus Sicht der Behörden könnte zudem argumentiert werden, dass der Gesunde reisen kann, also Kontakte über wechselseitige Besuche möglich sind im Rahmen von Besuchsvisa oder der visumsfreien Einreise aus Ländern, aus denen bis zu 90 Tage eine visumsfreie Einreise möglich ist. Gerade diese Möglichkeit hat der Kranke nicht, sodass nur ihm der Daueraufenthalt gewährt wird. Dem kann (je nach Fall) entgegen gehalten werden, dass Betroffenen ein Besuchsvisum durch die deutschen Auslandsvertretungen verweigert wird mit der Begründung fehlender Rückkehrbereitschaft.
Was sagen die Gerichte?
Das OVG Berlin-Brandenburg hat in einer mir vorliegenden Entscheidung die Frage unentschieden gelassen, Grund: In dem zu entscheidenden Fall konnte die Frage dahinstehen, weil der dortige Kläger im Heimatland noch familiäre Bindungen hatte.
4. Elternnachzug nur, wenn Lebenshaltungskosten und Krankenversicherung bezahlt werden können!
Nach dem Gesetz ist der Elternnachzug nur dann möglich, wenn alle Kosten des Lebensunterhaltes selbst bezahlt werden können, also
- Kosten für Wohnung
- Kosten für Esssen und Trinken
- Krankenversicherung
Da bei den Zuziehenden zumeist nur kleine Renten vorhanden sind, bedeutet dies, dass die Kosten des Lebensunterhaltes von den Kindern gezahlt werden müssen. Wenn eine Unterstützung durch das JobCenter oder das Sozialamt erforderlich ist, ist ein Elternnachzug nicht möglich. Nur wenn die Familie in der Lage ist, selbst alle Kosten nach der Einreise nach Deutschland zu zahlen, hat ein Antrag auf Elternnachzug Aussicht auf Erfolg.
Zur Krankenversicherung: Wer aus dem Ausland im Rentenalter nach Deutschland einreist, wird in Deutschland in aller Regel nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert! Das bedeutet, dass die Krankenversicherung bei einer privaten Krankenversicherung abgeschlossen werden muss. Nach meinem Kenntnisstand kostet dies für Personen im Rentenalter ca. 600,00 € im Monat, also allein ca. 7.200,00 € Krankenversicherungskosten pro Jahr.
5. Wie nehme ich Kontakt zum Anwalt auf? Anwaltskosten?
Rufen Sie mich an (0511. 220 620 60) oder mailen mir (tarneden@tarneden.de). Fälle dieser Art gehören zum Schwierigsten, was das Ausländerrecht bereit hält. Ehe ich ein Mandat annehme, ist es mir wichtig zu schauen, ob der Fall überhaupt Eignung für ein erfolgreiches Verfahren aufweist. Vertrauen Sie auf meine Erfahrung als bald 20 Jahren Berufserfahrung im Ausländerrecht. Ich habe Visa im Härtefall gegen Deutsche Botschaften erfolgreich erstritten. Diese Referenz hat bundesweit sicherlich Seltenheitswert.
Beratung: ab 75 €. Was bedeutet Beratung ab 75 €?
Vertretung: ab 1.000,00 € (außergerichtlich) bzw. ab 2.000,00 € für eine gerichtliche Vertretung.
© Rechtsanwalt Rolf Tarneden