Doppelte Staatsangehörigkeit bei Einbürgerung in Deutschland
Die doppelte Staatsangehörigkeit ist ein Wunsch vieler Einbürgerungsbewerber. Wer den Heimatpass behält, kann sein Leben lang visafrei in sein Heimatland einreisen. Zugleich eröffnet der deutsche Pass die Möglichkeit, sich visafrei im Schengenraum und vielen Ländern der Welt bewegen zu können und die staatsbürgerlichen Rechte (insbesondere das Wahlrecht) zu erwerben. Aus Sicht der Staaten sieht es anders aus: die doppelte Staatsangehörigkeit ist dem Grunde nach von keinem Staat der Welt erwünscht. Jeder Staat möchte, dass seine Bürger nur eine Staatsangehörigkeit haben. Sie ist in § 12 StAG geregelt. Die doppelte Staatsangehörigkeit ist daher die Ausnahme und nur selten möglich! Es ist daher sehr wichtig bereits im Vorfeld genau zu prüfen, ob in Ihren Fall ausnahmsweise die Doppelpass möglich ist. Ob das geht, klärt dieser Beitrag.
1. Doppelpass kein Problem, wenn…
1. Doppelpass kein Problem, wenn…
§ 12 StAG regelt abschließend die Fälle, wann die doppelte Staatsangehörigkeit möglich ist. In folgenden Fällen wird die doppelte Staatsangehörigkeit in der Regel problemlos gewährt:
- Heimatland sieht keine Entlassung aus der Staatsangehörigkeit vor, § 12 Abs. 1 Nr. 1 StAG
- Heimatland verweigert regelmäßig die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit, § 12 Abs. 1 Nr. 2 StAG
- Einbürgerungsbewerber besitzt Reiseausweis nach Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention, § 12 Abs. 1 Nr. 6 StAG
- Einbürgerungsbewerber ist EU-Bürger oder Staatsangehöriger der Schweiz, § 12 Abs. 2 StAG
In diesen Fällen ist nur selten ein Anwalt nötig.
Schwierig kann es in folgenden Fällen werden:
2.1.
Ausländer erleidet erhebliche wirtschaftliche Nachteile bei Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit, § 12 Abs. 1 Nr. 5 StAG
Hiermit sind Fälle gemeint, in denen für den Ausländer mit dem Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit wirtschaftliche Nachteile verbunden sind (z.B. Verlust des Erbrechtes).
Wichtig: gefordert ist als Mindestschaden ein Nachteil in Höhe eines Jahresbruttoeinkommens, mindestens aber 10.226,00 €. Nachteile unter 10.226,00 € muss der Einbürgerungsbewerber hinnehmen. Sie rechtfertigen keine doppelte Staatsangehörigkeit.
Der wirtschaftliche Nachteil muss nachgewiesen werden (i.d.R. durch eine gutachterliche Einschätzung über die Rechtslage im Herkunftsstaat, erstellt beispielsweise durch einen Anwalt im Herkunftsstaat. Das Gutachten von dem Anwalt im Herkunftsstaat müssen müssen Sie selbst organisieren [d.h. ich biete nicht an, einen Anwalt im Herkunftsland für das Gutachten zu suchen; solche Versuche haben sich nicht bewährt]). Erforderlich ist, dass mit dem Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit Nachteile in Höhe eines Jahresbruttoeinkommens entstehen. Dies wäre z.B. denkbar, wenn mit dem Verlust der Staatsangehörigkeit das Erbrecht verloren geht oder der Betroffene (entschädigungslos!) sein Eigentum an Land oder Immobilien verliert. Wer zwar das Land verliert, aber entschädigt wird (in Höhe des Marktwertes), erleidet nicht den nach dem Einbürgerungsrecht geforderten Nachteil.
2.2.
Heimatstaat entscheidet nicht über Entlassungsantrag, § 12 Abs. 1 Nr. 3 StAG
Schwierig sind auch die Fälle, in denen die Herkunftsländer nicht über die Entlassungsanträge entscheiden. So kann es sein, dass ein Herkunftsland ein Interesse daran hat, dass der Ausländer die bisherige Staatsangehörigkeit behält. Stellt ein Ausländer in so einer Konstellation einen Entlassungsantrag, so kann der Heimatstaat die Entlassung dadurch verhindern, dass er über den Entlassungsantrag nicht entscheidet. In diesem Fall ist die Einbürgerung mit doppelter Staatsangehörigkeit möglich, wenn die Entlassung seit zwei Jahren nicht erfolgt ist und in den nächsten 6 Monaten nicht zu erwarten ist.
2.3.
Einbürgerung von älteren Personen, § 12 Abs. 1 Nr. 4 StAG
Mit älteren Personen sind Menschen ab 60 Jahren gemeint. Wenn bei ihnen die Entlassung auf unverhältnismäßige Schwierigkeiten stößt und die Versagung der Einbürgerung eine besondere Härte darstellen würde, kann die doppelte Staatsangehörigkeit gegeben werden.
Auf unverhältnismäßige Schwierigkeiten können zum Beispiel dann vorliegen,
wenn der ältere Einbürgerungsbewerber gesundheitlich so sehr eingeschränkt ist, dass er in der Auslandsvertretung nicht persönlich vorsprechen kann oder wenn die Entlassung eine Reise in den Herkunftsstaat erfordern würde, die altersbedingt nicht mehr zumutbar ist, oder wenn sich nicht oder nicht mit vertretbarem Aufwand aufklären lässt, welche ausländische Staatsangehörigkeit er besitzt.
Eine besondere Härte liegt insbesondere vor, wenn alle in Deutschland wohnhaften Familienangehörigen bereits deutsche Staatsangehörige sind oder der Einbürgerungsbewerber seit mindestens 15 Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat.
Die Ursachen für Fälle, in denen um die doppelte Staatsangehörigkeit gestritten wird, sind oft politischer Natur. Beispiel: Die “Krimukrainer”. Mit der Annexion der Krim ist ukrainisches Staatsgebiet nach Ansicht Russlands Teil von Russland. Die EU versagt dem die Anerkennung. Die Krim ist nach Ansicht der EU weiterhin Teil der Ukraine. Für Krimukrainer stellt sich dann die Frage, wie und wo sie die Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit beantragen sollen. Die deutschen Behörden verlangen von Krimukrainern zudem die Entlassung aus der neuen “russischen” Staatsangehörigkeit, was in gewisser Hinsicht widersprüchlich ist, weil die russische Staatsangehörigkeit gar nicht anerkannt wird. Die Betroffenen müssen dann zwei Staatsangehörigkeiten aufgeben: die ukrainische und die russische. Nach meinem Kenntnisstand ist aktuell noch nicht abschließend geklärt, wie diese Fälle zu behandeln sind.
Update (08.11.2022): Mit Beschluss des Bundesministeriums des Innern und für Heimat vom 06.09.2022 ist ab sofort klargestellt, dass die Einbürgerung von Ukrainern (nicht nur Krimukrainern) unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit möglich ist. Hintergrund ist nach ministerieller Einschätzung, dass wegen des Krieges eine faktische Unmöglichkeit besteht, die Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit in der Ukraine zu erlangen. Damit stellt das Ministerium nun (endlich) fest, was ich für mehrere Mandanten seit Monaten in Einbürgerungsverfahren geltend mache.
Beratung: ab 75 €.
Vertretung: ab 1.000,00 €.
Rechtsschutzversicherung für Einbürgerung?
Oft erhalte ich Anfragen, in denen Mandanten ihre Rechtsschutzversicherung erwähnen, ohne dass sie dort schon eine Kostenzusage eingeholt haben. Rechtsschutzversicherungen zahlen im Einbürgerungsrecht nach meiner 20-jähren Erfahrung fast nie. Daher empfehle ich, dass Sie vorab bei der Rechtsschutzversicherung um Kostenschutz nachfragen.
Bei Interesse mailen (tarneden@tarneden.de) Sie mir.
© Rechtsanwalt Rolf Tarneden